Wer, was und wann
Johanna Quendt: hat Ökologische Agrarwissenschaften und Psychologie an der Uni Kassel studiert und schreibt aktuell ihre Doktorarbeit über nachhaltige Ernährung.
Katrin Becker: studiert Produktdesign an der Uni Kassel und schreibt ihre Diplomarbeit über den Anbau von Pilzen nach dem Kreislaufwirtschaftsprinzip.
Gina Schwarzmaier: hat kürzlich ihren Bachelor in Agrarwissenschaften an der Uni Kassel gemacht. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie über Bildungsangebote für nachhaltige Ernährung an Schulen.
Hintergrund und Ziele
In Zeiten totalen Überflusses haben viele Menschen den Bezug zu ihrer Nahrung verloren. Woher kommt die Milch? Wer verarbeitet das Schwein zu Wurst? Wie entstehen Brötchen und warum reisen sie teilweise durch halb Europa? Und: Warum passiert das alles außerhalb der Städte? Diese Fragen haben wir uns im Team auch gestellt und nach Möglichkeiten gesucht, die Lebensmittelproduktion wieder zurück in die Stadt zu holen.
Die Vision von Bunkerpilz ist:
- einen Beitrag zur nachhaltigen, lokalen und urbanen Lebensmittelproduktion leisten
- das Potenzial von Abfallprodukten aufzuzeigen und zu nutzen
- die Förderung einer ernährungssouveränen Gesellschaft
Nachhaltige, lokale und urbane Lebensmittelproduktion
Angesichts der massiven Umweltauswirkungen unserer Ernährungsweise sind wir auf alternative Produktionsweisen angewiesen. Etwa 25 % der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf den Ernährungssektor zurück. Durch die Umstellung unserer individuellen Ernährungsweise (saisonal, regional, biologisch, wenig tierische Produkte) sowie die Vermeidung oder effiziente Nutzung von Lebensmittelabfällen könnte ein Großteil dieser CO2e-Emissionen eingespart werden. „Kasseler Bunkerpilz“ steht für Stadt-Landwirtschaft unter Verwendung lokal vorhandener Ressourcen und umweltschonender Prozesse. Kern des Projekts ist die Zucht von Speisepilzen auf Abfallprodukten sowie die Entwicklung von Konzepten für den Anbau von Speisepilzen in urbanen Räumen. Dieses Wissen wollen wir in Workshops an andere Nachhaltigkeitsinitiativen oder privat Interessierte weitergeben.
Warum „Kasseler Bunkerpilz“?
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden bereits Pilze im Kasseler Weinbergbunker angebaut. Diese Idee wollen wir wiederbeleben und auf andere urbane Räume ausweiten. Nahezu jeder ungenutzte Keller kann mit wenigen Umbauarbeiten zum Anbauort für Speisepilze werden. Im herkömmlichen Gemüseanbau müssen Freiflächen geschaffen werden – unsere potenziellen Anbauflächen existieren bereits! Mehr als 80 % der Kellerräume in unserem Wohngebiet werden aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit nicht genutzt; für Pilze sind dies allerdings die besten Wachstumsvoraussetzungen. Außerdem wachsen sie schnell und es lässt sich auf verhältnismäßig kleinen Flächen ein großer Ertrag erzielen.
Abfall ist mehr als Müll
Unsere Idee baut auf dem Cradle-to-Cradle-Prinzip auf. Das bedeutet, von Anfang an in kompletten Produktionskreisläufen zu denken und auf diese Art erst gar keinen Müll im herkömmlichen Sinne entstehen zu lassen. Nicht nur der erste Nutzen darf im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Verwendung der Rohstoffe nach deren Nutzung. Unser Fokus liegt auf Ökoeffektivität. Produkte sind ökoeffektiv, wenn sie in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder kontinuierlich in Kreisläufen gehalten werden können. Der Grundsatz der Ökoeffektivität lautet: Abfall ist Nahrung.
Für die Speisepilzzucht bieten sich verschiedene Abfallprodukte an: Pilze aus der Familie der Seitlinge wachsen hervorragend auf Kaffeesatz, welcher täglich in großen Mengen in Cafés und Restaurants der Stadt anfällt. Andere Speisepilze gedeihen auf Kompost, sogenannte Primärzersetzer direkt auf organischem Material. Nach durchschnittlich drei Erntezyklen kann das Pilzsubstrat vollständig kompostiert werden. So schließt sich der Kreis und ein wertvolles Endprodukt entsteht.
Ernährungssouveränität
Die Versorgung von Städten hat sich innerhalb der letzten 100 Jahre massiv verändert: Um 1900 gab es noch zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe und Nutzflächen direkt angrenzend an und auch innerhalb von Städten. Die Stadtbevölkerung wurde größtenteils lokal versorgt. Mit dem Fortschritt im Transportwesen sind kleinbäuerliche und urbane Erwerbslandwirtschaft rar geworden; nicht nur die Stadtbewohnenden, sondern auch die Bevölkerung in ländlichen Gegenden werden mit Produkten versorgt, deren Wertschöpfungskette für die Konsument*innen völlig intransparent ist.
Die solidarische Landwirtschaft ist eine mittlerweile weit verbreitete Alternative zur herkömmlichen globalisierten Lebensmittelproduktion.
Zielgruppe / Erschließung von Vermarktungswegen
Pilze sind eine ideale Ergänzung einer primär lokalen Ernährung. Deshalb möchten wir als Kooperationsbetrieb der Solawi Kassel e.V. in die Vermarktung einsteigen. In der solidarischen Landwirtschaft tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines oder mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe, wofür sie im Gegenzug deren Ernteerträge erhalten. Die Konsument*innen erleben Transparenz, denn sie wissen, wo und wie die Nahrungsmittel angebaut werden, wer sie anbaut und zu welchen Kosten – so fördern sie die regionale Nachhaltigkeit. Durch die direkte Auslieferung ist die Ware erntefrisch, Verpackungsmüll wird vermieden und der CO2e-Ausstoß durch kurze Transportwege verringert. Als weitere Partner ziehen wir Kasseler Gastronomien, die regionale Produkte anbieten in Betracht. Auch eine Direktvermarktung auf Kassels Wochenmärkten sowie die Zusammenarbeit mit kleineren Biomärkten und lokalen Caterern ist denkbar.
Das Bewusstsein für regionale Produkte wächst – dieses Interesse wollen wir nutzen und Wege aufzeigen wie sich auch in urbanen Räumen Lebensmittel produzieren lassen. Weiterhin wollen wir unser Konzept auch in andere Städte tragen und beispielsweise in Workshops unser Wissen teilen und mit anderen Urban-Gardening-Initiativen kooperieren.
Austausch und Unterstützung
Wir möchten uns mit anderen Interessierten über Pilzanbau auf alternativen Substraten austauschen, suchen nach ungenutzten Kellerräumen in der Stadt und würden uns gerne mit Initiativen vernetzen, die sich mit Urban Gardening und Stadternährung beschäftigen.
Kasseler Bunkerpilz – das steht für nachhaltig, lokal und urban. Unterstützt unsere Initiative, erzählt euren Freunden davon und helft uns, das städtische Ernährungssystem mit Pilzen zu unterwandern.
Kontakt
Ansprechpersonen: Johanna Quendt, Katrin Becker, Gina Schwarzmaier
E-Mail: kasseler_bunkerpilz[at]posteo.de
Webseite: www.instagram.com/kasseler_bunkerpilz/