Wer, was und wann
Wir sind ein fünfköpfiges Frauenkollektiv und haben vor knapp zwei Jahren begonnen, eine kleine Tofu-Manufaktur aufzubauen, in der wir regionale Bio-Sojabohnen zu Tofu verarbeiten und ausschließlich lokal und unverpackt vermarkten. Tofu wird in der Regel industriell hergestellt, in Kunststoff verpackt und auf langen Transportwegen zu den Endverbraucher_innen gebracht. Frischer Tofu jedoch, unverpackt auf den Markt gebracht, ist per se auf eine lokale Vermarktung beschränkt. Bedingt durch den Verzicht auf Pasteurisierung und Plastikeinschweißung ist unser Tofu als Frischeprodukt ungleich aromatischer – und trägt ganz nebenher dazu bei, ein lokales, nachhaltiges Ernährungssystem voranzutreiben.
Dafür finden wir hier vor Ort beste Voraussetzungen. Unsere Produktionsstätte liegt in Witzenhausen, im äußersten Zipfel Nordhessens, inmitten der Ökomodell-Region Werra-Meißner. Die kleine Universitätsstadt – seit drei Jahren nun auch Biostadt – hat aufgrund der seit den 80er Jahren ansässigen Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel eine überregionale Ausstrahlungskraft. Zukunftsweisende Forschung zu nachhaltigen Ernährungssystemen und deren praktische Umsetzung gehen hier Hand in Hand. Hier gibt es ein ungewöhnlich großes Netzwerk lebensmittelproduzierender und -verarbeitender Betriebe. Eine ganzjährige Versorgung mit regionalen (Bio-)Lebensmitteln ist hier weitgehend möglich. Neben Gemüse, Pilzen, Honig und Getreideprodukte werden vor allem Milchprodukten und Fleischwaren in kleine Klitschen hergestellt. Mit unserem Tofu wollen wir eine Lücke schließen und eine regionale, pflanzliche Eiweißversorgung möglich machen.
Unser zweites Standbein bildet ein theoretisches und praktisches Seminarangebot rund um die Themen Ernährungswandel, regionale Kreislaufwirtschaft und Hülsenfrüchte, allen voran die Sojabohne. Außerdem bieten wir kulinarische Workshops an, in denen u. a. die traditionelle Tofu-Herstellung erlernt werden kann.
Hintergrund und Ziele
Unser derzeitiges Agrar- und Ernährungssystem trägt in hohem Maße zur Erderwärmung bei. Im Hinblick auf die Ernährung ist vor allem eine Verringerung des Fleischverzehrs nötig, um CO2-Emmissionen zu reduzieren. Ein Fünftel der klimaschädlichen CO2-Emissionen entsteht durch die Produktion und den Konsum von Fleisch. Tofu aus regionalen Sojabohnen bietet hier als klimaschonender, vielseitiger pflanzlicher Eiweißlieferant eine gute Alternative oder Ergänzung.
Unser Ziel ist es mit regionalem Anbau von Soja-Bohnen, der Verarbeitung und Vermarktung unserer Produkte vor Ort, eine ressourcenschonende und nachhaltige Kreislaufwirtschaft umzusetzen und die Ernährungssouveränität unserer Region zu stärken. Dazu gehört für uns auch auch eine abfallvermeidende Herstellungsweise. Unsere Produktionsrückstände verwerten wir weiter. Für unseren Bohnenbrei tüfteln wir gerade an Rezepten. Die anfallende Sojamolke ist ein guter Pflanzendünger. Ihre Eigenschaften werden derzeit in einem studentischen Forschungsprojekt des hiesigen Fachbereichs Ökologische Agrarwissenschaften erforscht. Hier bauen wir gerade eine Kooperation auf. Darüber hinaus verteilen wir die Molke an umliegende Gemüse-Gärtnereien und nutzen sie selbst zum Putzen.
Miteinander Lernen
Was waren die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Projektes und wie seid Ihr damit umgegangen?
Wir sind ohne große Finanzmittel gestartet sind, deswegen war der Anfang sehr herausfordernd. Da wir hier im ländlichen Raum sind, konnten wir Zuschüsse für unsere Geräte und Maschinen über die Teilnahme an einem Programm zur Förderung der Regionalentwicklung bekommen. Mittlerweile haben wir in Eigenarbeit einen ehemaligen Honigschleuderraum zu einer Produktionsküche umgebaut und die ersten Chargen Tofu hergestellt und in unserem Freund_innenkreis verköstigt. Nun stehen wir in den Startlöchern. Schon in einem Monat soll es losgehen mit Produktion und Verkauf...
Welche Unterstützung ist für das Gelingen des Projektes unerlässlich (gewesen)?
Hier in der Region ballt sich viel Know-How über lokale Wertschöpfung und nachhaltige Ernährungssysteme. Die Unterstützung durch die Akteur_innen der universitären ökologischen Agrarwissenschaften sowie der Austausch mit befreundeten Tofureien, insbesondere mit den Soy Rebels aus Berlin und der Tofurei Wendland, waren und sind ganz essentiell. Außerdem sind wir hier in der Region mit anderen Kollektiven vernetzt. Der Erfahrungstausch mit anderen Betrieben, die ebenfalls ohne hierarchische Strukturen arbeiten, ist immer wieder enorm wertvoll und hilfreich.
Wie könnten Forschende Euer Vorhaben unterstützen? Welche Fragen sind bisher unbeantwortet geblieben?
Ohne Verpackung auszukommen, ist zwar machbar und unumgäglich für eine umfassende, ökologische Ernährungswende, aber auch sehr herausfordernd. Hier besteht auf jeden Fall Forschungsbedarf, auch was Knackpunkte angeht, die ein anderes, zukunftsweisendes Kaufverhalten begünstigen oder erleichtern können.
Austausch und Unterstützung
Wir sind sehr interessiert an Austausch und Networking mit anderen Erzeuger_innen und Akteur_innen, die ebenfalls an einer umfassenden, regionalen Versorgung von Lebensmitteln basteln.
Kontakt
Namen der Ansprechpersonen: Anna Rosga, Stephanie Omwenyeke
Organisation: Tofufaktur
Website: https://tofufaktur.de
Adresse: Tofufaktur Ludwigsteinstr. 76, 37214 Witzenhausen
E-mail: tofufaktur(at)riseup.net