Logo

Bio-Distrikt / Öko-Region

Der Bio-Distrikt (bzw. die Öko-Region) bezeichnet ein Gebiet, in dem Landwirte und Landwirtinnen, Konsumenten und Konsumentinnen, Behörden, lokale Trainings- und Forschungszentren, Verbände und Reiseveranstalter eine Vereinbarung über die nachhaltige Bewirtschaftung und Verwendung lokaler Ressourcen auf der Grundlage (agrar-)ökologischer Grundsätze und Praktiken schließen, um das ökologische, wirtschaftliche und soziokulturelle Potenzial des Gebiets auszuschöpfen.[1]

Die Bezeichnung dieser Gemeinschaften variiert entsprechend des Bezugs auf Regionen, Länder, Landkreise, Städte und Dörfer. International werden überwiegend die Bezeichnungen Bio-Distrikte, Öko-Regionen, Bio-Dörfer und Öko-Dörfer verwendet. In Deutschland werden sie unter den Bezeichnungen Bio-Städte, Öko-Städte, Ökomodellregionen, Bio-Musterregionen (wie die Öko-Modellregionen in Baden-Württemberg genannt werden) und Öko-Modellländer vorangebracht. Abzugrenzen hiervon sind Ernährungsräte, die noch einmal als eigene Nische betrachtet werden[2].

Ziel und Innovation

Das Ziel der Bio-Distrikte ist es, mit einem ganzheitlichen Ansatz eine nachhaltige, integrierte, partizipative und je nach Region klimaneutrale territoriale Entwicklung aufzubauen, die durch eine innovative formale Vereinbarung diverse Akteure und Akteurinnen in der Region oder Gemeinde an diese Ziele bindet. Hierbei variieren die individuell gesteckten Ziele und Prinzipien stark von Gemeinschaft zu Gemeinschaft.

Der ganzheitliche Ansatz kann folgende ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele enthalten: Die ökologische Dimension sieht die Förderung der partizipativen Landschaftsgestaltung und Einführung agrarökologischer Systemlösungen auf Feldebene vor. Ökonomisch gesehen, sollen die lokalen geschlossenen Wertschöpfungskreisläufe gestärkt werden, indem solide und faire lokale Märkte mit Zugang für Bio-Produzenten und Bio-Produzentinnen geschaffen werden. Überdies wird die Beschäftigung im ländlichen Raum durch die lokale öffentliche Auftragsvergabe der Behörden gefördert. Zudem sollen die ökologischen Zertifizierungssysteme für Erzeuger und Erzeugerinnen sowie der Zugang zu Land für die jungen Generationen vereinfacht werden. Gleichzeitig profitieren Konsumenten und Konsumentinnen von einer höheren Transparenz über die Herkunft ihrer Lebensmittel und können frische, lokale Produkte aus ökologischem Anbau auf lokalen Märkten, Veranstaltungen und in öffentlichen Einrichtungen beziehen.[3] Soziale Inklusionsprojekte sehen vor, Menschen mit Beeinträchtigungen, Inhaftierte, Drogenabhängige, Migranten und Migrantinnen in die lokale Gemeinschaft einzugliedern. Zudem soll über alle Akteure und Akteurinnen hinweg die Ernährungssouveränität, das Umweltbewusstsein und die kulturelle Identität der lokalen Gemeinschaften gefördert werden.[4]

Beispiele

Cilento Bio-District - Italien; Biovallèe – Frankreich, Mühlviertel - Österreich, Valposchiavo - Schweiz, Ökoregion Kaindorf - Österreich; Biostädte Augsburg, Bremen, Darmstadt, Erlangen, Freiburg, Hamburg, Karlsruhe, Landshut, Lauf / Pegnitz, Leipzig, München und Nürnberg - Deutschland; zahlreiche Ökomodellregionen in Deutschland

Kategorie

Produktion, Verarbeitung, Handel, Konsum, Abfall und Wiederverwertung

Akteur*innen

Behörden, Verbände, Erzeuger und Erzeugerinnen, Konsumenten und Konsumentinnen, lokale Trainingszentren und Reiseveranstalter, Gastronomie, Schulen, handwerkliche Bio-Lebensmittelverarbeiter und Bio-Lebensmittelverarbeiterinnen, Forschungsinstitute

Entwicklungsstand und -dynamik

Um einen Austausch zwischen den verschiedenen Gemeinschaften zu fördern, wurden in dem letzten zehn Jahren verschiedene Netzwerke gegründet: Das International Network of Eco Regions (IN.N.E.R.) vernetzt europaweit Öko-Regionen. Aus dem Austausch verschiedener Bio-Dörfer/Öko-Dörfer hat sich das Global Ecovillage Netzwerk entwickelt und es gibt erste europaweite Konferenzen[7]. Neben anderen Gründungsorganisationen[8] wirkte das deutsche Netzwerk ›Bio-Städte‹[9] bei der Gründung des ›Organic Cities Network Europe‹ in Paris Anfang 2018 mit, dem bereits neun Städte zugehören[10].

Nachhaltigkeitspotenzial

Ökologisch

  • Biodiversität/Artenvielfalt (indirekt)
  • Boden (indirekt)
  • Wasser (indirekt)
  • Klima (indirekt)
  • Luft (indirekt)
  • Ressourceneffizienz in Produktion und Konsum
  • Förderung von regionalen, geschlossenen Nährstoffkreisläufen

Ökonomisch

  • Armutsbekämpfung (indirekt)
  • Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe
  • Unterstützung von Aktivitäten mit positiven externen Effekten
  • Erhöhung der Ernährungssicherheit
  • Förderung der Kreislaufwirtschaft
  • Faire Erzeugerpreise (national und global)
  • Herstellen von Transparenz entlang der Wertschöpfungskette

Sozial

  • Gesundheit: Zugang zu gesunder Ernährung (indirekt)
  • Partizipation
  • Soziale Gerechtigkeit (indirekt)
  • Bewusstsein/ Bildung für nachhaltige Ernährung (indirekt)

Risiken / Nachteile

Die ganzheitliche, nachhaltige Ausrichtung eines Bio-Distrikts erfordert ein komplexes Wissen, da viele verschiedene Handlungsfelder tangiert werden. Um so wichtiger wird die Kommunikation mit einer Vielzahl von Akteuren und Akteurinnen als Schlüssel zum Erfolg und zur Nutzung von Synergiepotenzialen bewertet. Sie kann gleichzeitig auch sehr herausfordernd sein, insbesondere wenn die neu geschaffenen Modelle auf etablierte Strukturen treffen.[11] Hier ist eine gute Kommunikation zum Aufzeigen der Vorteile wichtig. Eine weitere Herausforderung kann die häufig geringe Anzahl von lokalen handwerklichen Verarbeitungsbetrieben sein. Diese mussten mit der steigenden Industrialisierung häufig der Preiskonkurrenz weichen. Somit könnte es zu Beginn an Verarbeitungsstrukturen, Erfassungs- und Logistikmöglichkeiten für kleine lokal gehandelte Produktmengen fehlen.


[1] FAO (2017): The experience of Bio-districts in Italy. Web, 11.10.2019. http://www.fao.org/agroecology/database/detail/en/c/1027958/

[2] Haack, M., Engelhardt, H., Gascoigne, C., Schrode, A., Fienitz, M. & Meyer-Ohlendorf, L. (unveröffentlicht): Sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems: Nischen des Ernährungssystems. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.

[3] Biostädte (o.J.): Ziele des Netzwerks. Web, 10.12.2019. www.biostaedte.de/ueber-uns/aktuelles/67-was-biostaedte-und-oeko-modellregionen-verbindet.html

[4] FAO (2017): The experience of Bio-districts in Italy. Web, 11.10.2019. http://www.fao.org/agroecology/database/detail/en/c/1027958/

[5] ebd.; Grandi, C. & Triantafyllidis, A. (2010): Organic Agriculture in Protected Areas. The Italian Experience. FAO. Rom.

[6] Senato della Repubblica (2018): Legislatura 18a - Disegno di legge n. 988.

[7] Ein Beispiel ist die European Ecovillage Conference, die im Juli 2019 stattgefunden hat.

[8] Bio Forschung Austria, Città del Bio Italien, Eco-Estonia, Milan Center for Food Law and Policy

[9] Zurzeit sind 14 Städte (Augsburg, Bremen, Darmstadt, Erlangen, Freiburg, Hamburg, Karlsruhe, Landshut, Lauf / Pegnitz, Leipzig, München und Nürnberg) Teil des deutschen Netzwerkes Bio-Städte, welches seit 2010 Austausche in dieser Form zu pflegen begann. Um Teil des Netzwerkes zu werden, wurde von den Gründungsstädten eine Kooperationsvereinbarung festgelegt: Bio-Städte, Gemeinden und Landkreise haben einen entsprechenden Ratsbeschluss; verfolgen selbst definierte Ziele; setzen Projekte, Aktionen, Maßnahmen um und benennen eine zuständige Stelle bzw. Ansprechperson. (Biostädte (o.J.): Mitmachen. Web, 10.12.2019. www.biostaedte.de/ueber-uns/kooperationsvereinbarung.html)

[10] Die Städte sind Correns (Frankreich), Lauf (Deutschland), Metropole Mailand (Italien), Nürnberg (Deutschland), Paris (Frankreich), Porec (Kroatien), Seeham (Österreich), Växjö (Schweden) und Wien (Österreich).

[11] Biostädte (o.J.): Was Biostädte und Öko-Modellregionen verbindet. Web, 10.12.2019. www.biostaedte.de/ueber-uns/aktuelles/67-was-biostaedte-und-oeko-modellregionen-verbindet.html