Regenerative Landwirtschaft (auch ›Carbon Farming‹[1]) ist ein Überbegriff für Landnutzungsformen und landwirtschaftliche Techniken, deren Gemeinsamkeit darin besteht, geschädigte Böden zu regenerieren und gleichzeitig Nahrungsmittel, Futter, Rohstoffe, Wirkstoffe und Energie zu liefern. Die Praktiken sind vielfältig miteinander kombinierbar und umfassen mitunter pfluglose Bodenbearbeitung, biologische Landwirtschaft, Agroforstsysteme und überjährige Kulturpflanzen, wobei nicht alle für jedes Klima und jeden Boden geeignet sind[2]. Regenerative Landwirtschaft ist ein Teilbereich der Agrarökologie[3].
Die Landwirtschaft ist vom Zustand der Böden abhängig und trägt in der aktuellen industrialisierten Form zugleich zum Verlust und der Degradation von Böden bei. Die Idee der Regenerativen Landwirtschaft besteht im Kern darin, geschädigte Böden in urbanen und ländlichen Ökosystemen wiederherzustellen und zu verbessern, indem das Bodenleben gestärkt wird und Humus aufgebaut wird[4]. Dies birgt die Möglichkeit, mehr CO2 im Boden zu binden als durch die Nutzung des Bodens ausgestoßen wird[5] und dabei Nahrungsmittel und weitere Güter zu produzieren[6]. Angaben des Rodale Institutes zufolge können mehr als 100% des aktuell jährlich ausgestoßenen CO2 mit einfachen, erschwinglichen, biologischen, regenerativen Methoden im Boden fixiert werden und der Klimawandel somit gemildert werden[7]. Zudem können kostenintensive Inputs durch natürliche Prozesse ersetzt und fossile Brennstoffe eingespart werden[8].
Ein seit zwei Jahrzehnten relativ neues und weit verbreitetes Werkzeug der Regenerativen Landwirtschaft ist die konservierende Bodenbearbeitung[9] (auch ›pfluglose Bodenbearbeitung‹[10] oder ›Mulchsaat‹[11]). Bei dem Konzept wird auf den Einsatz des Pfluges verzichtet[12]. Stattdessen wird der Boden nichtwendend bearbeitet, wodurch ein Teil der Ernterückstände auf der Ackerfläche erhalten bleibt[13]. Durch diese Praktik wird das Bodenleben so wenig wie möglich gestört, was die Stabilisierung des Oberbodens und Humusaufbau begünstigt[14].
Konservierende Verfahren, die vor der Saat komplett auf die Bodenbearbeitung verzichten, bezeichnet man als Direktsaat[15]. Eine weitere Methode der regenerativen Landwirtschaft ist eine möglichst ganzjährige Begrünung von Ackerflächen, die durch Untersaaten und Zwischenfrüchte ermöglicht werden kann. Die Idee dieses Ansatzes ist es, den Boden möglichst lange zu bedecken und somit Auswaschungsverluste zu vermindern und das Bodenleben zu schützen[16]. Weitere Werkzeuge sind der Gebrauch organischer Düngemittel, angepasste Fruchtfolgen und Kompostsysteme[17].
Grüne Brücke (Dietmar Näser); New Forest Farm (Mark Shepeard); Rodale Institute, SoilCapital, Ökoregion Kaindorf, Bio-Gemüsehof Dickendorf
Vorleistung, Produktion
Landwirte und Landwirtinnen
Die Grundidee der Regenerativen Landwirtschaft ist nicht neu. Aus der Erforschung indigener Landnutzungsformen lässt sich die Erkenntnis ableiten, dass eine nachhaltige, humusmehrende Landbewirtschaftung eine uralte Praktik ist, die mit der Entwicklung der industriellen Landwirtschaft in Vergessenheit geriet[18]. Der Begriff ›regenerative agriculture‹ wurde erstmals in den frühen 1980er Jahren in Schriftwerken des Rodale Institute in Pennsylvania erwähnt, welches sich bereits in den 1970er Jahren auf regenerative Methoden ausrichtete[19].
Aufgrund des wachsenden Bewusstseins über die Bodendegradierung als Konsequenz industrieller landwirtschaftlicher Praktiken erfreuen sich regenerative Praktiken global einer zunehmenden Beliebtheit[20]. Während die regenerative Landwirtschaft beispielsweise in Amerika als etabliert gilt, bleibt diese bislang im deutschsprachigen Raum wenig verbreitet. Hier wird sie auf schätzungsweise 50.000 Hektar angewandt[21]. Viele Praktizierende berichten von positiven Erfahrungen, jedoch gibt es hierzulande noch wenige wissenschaftliche Daten. Beispielsweise gut dokumentiert wird der erfolgreiche Humusaufbau durch regenerative Methoden in der Ökoregion Kaindorf in Österreich[22].
Laut den Angaben des Statistischen Bundesamtes wird auf rund 40% der Ackerfläche der Boden teilweise ohne Pflug bearbeitet, während nur auf einem Prozent Ackerland gänzlich auf die Bodenbearbeitung durch Pflug verzichtet wird.[23] Dieser Trend der letzten Jahre hin zu Direktsaat wird größtenteils von konventionellen Landwirten und Landwirtinnen umgesetzt. Um Unkraut und Ausfallpflanzen zu kontrollieren, setzen sie häufig Herbizide ein[24], und werden damit den Zielen der Regenerativen Landwirtschaft von einem pestizidfreien Anbau nicht gerecht.[25] Es gibt bislang noch wenige Bio-Landwirte und Bio-Landwirtinnen, die diese Ziele tatsächlich umsetzen.[26]
Den Aufwuchs einzuarbeiten, ist anspruchsvoll und erfordert viel Erfahrung[27]. Auch andere Methoden der Regenerativen Landwirtschaft benötigen Fachwissen, Einarbeitung und zeitlichen Aufwand. Zudem müssen die eingesetzten Methoden auf den jeweiligen Standort und Boden abgestimmt werden, was wiederum sehr gute Kenntnisse erfordert. Landwirt Benedikt Bösel weist auf die in Deutschland fehlende Förderung der multifunktionalen Landnutzung hin, wodurch der Aufbau von Erfahrungswissen bezüglich Regenerativer Landwirtschaft durch Landwirte und Landwirtinnen erschwert wird[28].
[1] Biswas, S. et al. (2017): Regenerative agriculture: Replenishing soil carbon under changing climate.
[2] Neely, C., Bunning, S. Wilkes, A. (2009): Review of evidence on drylands pastoral systems and climate change. FAO.; Hes, D., & Rose, N. (2019): Shifting from farming to tending the earth: A discussion paper.
[3] Von Koerber, H. (2018): Definition Regenerative Landwirtschaft - Ansätze, Verfahren, Initiativen.
[4] Beckhoff, J. (2018, August 8). Regenerativer Ackerbau. oekolandbau.de. Web, 13.10.2019. www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/regenerative-landwirtschaft/regenerativer-ackerbau/
[5] Zukunftsstiftung Landwirtschaft (o. J.): Regenerative Landwirtschaft - Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Web, 13.10.2019. https://www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de/zukunftsstiftung-landwirtschaft/aktuelles/termine/regenerative-landwirtschaft/
[6] Lal, R. (2010). Managing Soils and Ecosystems for Mitigating Anthropogenic Carbon Emissions and Advancing Global Food Security. BioScience, 60(9), 708–721. doi.org/10.1525/bio.2010.60.9.8
[7] Rodale Institute (o.J.): Regenerative Organic Agriculture and Climate Change. A Down-to-Earth Solution to Global Warming. Web, 13.10.2019. rodaleinstitute.org/wp-content/uploads/rodale-white-paper.pdf
[8] Biswas, S. et al. (2017): Regenerative agriculture: Replenishing soil carbon under changing climate.
[9] Beste, A. (2015): Intensivfeldbau: Industrielle Landwirtschaft mit Zukunftsproblemen. Heinrich-Böll-Stiftung. Web, 13.10.2019. https://www.boell.de/de/2014/12/16/intensivfeldbau-industrielle-landwirtschaft-mit-zukunftsproblemen
[10] Verlag Emminger & Partner GmbH (2019): Konservierende Bodenbearbeitung - Pfluglos. Web, 13.10.2019. https://www.pfluglos.de/konservierende_bodenbearbeitung
[11] Beste, A. (2015): Intensivfeldbau: Industrielle Landwirtschaft mit Zukunftsproblemen. Heinrich-Böll-Stiftung. Web, 13.10.2019. https://www.boell.de/de/2014/12/16/intensivfeldbau-industrielle-landwirtschaft-mit-zukunftsproblemen
[12] Verlag Emminger & Partner GmbH (2019): Konservierende Bodenbearbeitung - Pfluglos. Web, 13.10.2019. https://www.pfluglos.de/konservierende_bodenbearbeitung
[13] ebd.
[14] Biswas, S. et al. (2017): Regenerative agriculture: Replenishing soil carbon under changing climate.
[15] Derpsch, R. (2008): No Till erfolgreich umsetzen - Pfluglos. Web, 13.10.2019. https://www.pfluglos.de/beitraege/articles/no-till-einfuehrung
[16] Beckhoff, J. (2018): Regenerativer Ackerbau. oekolandbau.de. Web, 13.10.2019.https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/regenerative-landwirtschaft/regenerativer-ackerbau/
[17] Rodale Institute (o.J.): Regenerative Organic Agriculture and Climate Change. A Down-to-Earth Solution to Global Warming. Abrufbar unter: rodaleinstitute.org/wp-content/uploads/rodale-white-paper.pdf
[18] Hes, D., & Rose, N. (2019). Shifting from farming to tending the earth: A discussion paper.
[19] Hatfield, J. L., & Karlen, D. L. (1993): Sustainable Agriculture Systems. CRC Press.
[20] Hes, D., & Rose, N. (2019): Shifting from farming to tending the earth: A discussion paper.
[21] Beckhoff, J. (2018): Regenerativer Ackerbau. oekolandbau.de. Web, 13.10.2019. www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/regenerative-landwirtschaft/regenerativer-ackerbau/
[22] Verein Ökoregion Kaindorf (2018): Ökoregion Kaindorf. Web, 13.10.2019. https://www.oekoregion-kaindorf.at/index.php?id=522
[23] Universität Hohenheim (2019): Konservierende Bodenbearbeitung: Fachtagung diskutiert veränderte Pflanzenschutzstrategien. Pressemitteilung. 08.01.2019. www.uni-hohenheim.de/pressemitteilung
[24] Agrarheute (2016): Pfluglose Bodenbearbeitung: Pro und contra. Web, 08.12.2019. www.agrarheute.com/technik/ackerbautechnik/pfluglose-bodenbearbeitung-pro-contra-513975
[25] Ökolandbau (2018): Regenerativer Ackerbau. Web, 08.12.2019. www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/regenerative-landwirtschaft/regenerativer-ackerbau/
[26] Kretschmann, K. und Behm, R. (2017): Mulch total - Ein Weg in die Zukunft. OLV.
[27] Beckhoff, J. (2018, August 8): Regenerativer Ackerbau. oekolandbau.de. Web, 13.10.2019. www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/regenerative-landwirtschaft/regenerativer-ackerbau/
[28] von Ketteler, L. (2019): Regenerative Landwirtschaft in Deutschland. Web, 9.12.2019. https://www.farm-and-food.com/regenerative-landwirtschaft-in-deutschland/