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Konzeption eines Agroforst-Modellvorhabens für das Löwenberger Land

Obwohl zahlreiche Forschungsergebnisse belegen, dass Agroforstsysteme potentiell zum Klimaschutz, Erosionsschutz, zur Verhinderung von Nährstoffauswaschungen und zum Aufbau von Bodenfruchtbarkeit beitragen können (u.a. Aßmann & Oelke 2010; Huber et al. 2013; Quinkenstein et al. 2009) mangelt es in Deutschland bislang noch an der Umsetzung in die landwirtschaftliche Praxis.

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Pflanzenbau / Saatgut
Flächen / Boden
Produktion
Anpflanzen von Bäumen auf Ackerstreifen

© Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE)

Gründe hierfür sind u. a. fehlende regionale Anschauungsobjekte (Modell- und Demonstrationsvorhaben), aber auch die nach wie vor fehlende Thematisierung von Agroforstsystemen in Ausbildung und Studium. Um hierfür Lösungsansätze zu erarbeiten, wurde der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) von einem an der Entwicklung von Agroforstsystemen interessierten Eigentümer eine ca. 30 ha große Projektfläche im nördlichen Brandenburg (Gemeinde Löwenberger Land) zur Erforschung von Agroforstsystemen dauerhaft zur Verfügung gestellt. Im Rahmen von Abschlussarbeiten von den land- und forstwirtschaftlichen Studiengängen der HNEE (HAEFKE 2016; HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU 2016; MÜLLER 2016) erfolgte hierfür die Konzeption eines multispezifischen, standortangepassten Agroforstsystems: dieses sieht Wertholz- und Fruchtertragskomponenten sowie eine Kurzumtriebsplantage (KUP) vor, die durch die Produktion von Frisch-Zweig-Häckseln (FZH) dem Aufbau von Bodenfruchtbarkeit dienen soll. Dabei soll das Agroforstsystem gleichzeitig als Modellprojekt und Dauerbeobachtungsfläche fungieren: Zum einen sollen die vielfältige Umsetzbarkeit von Agroforstsystemen sowie deren Potenziale anschaulich aufgezeigt werden, um andere Landeigentümer*innen, Landwirt*innen und politische Entscheidungsträger*innen zur Nachahmung zu inspirieren; zum anderen sollen die vielfältigen ökologischen Wechselwirkungen des Agroforstsystems durch die HNEE langfristig beobachtet und dokumentiert werden. In diesem Beitrag sollen die Ergebnisse der Konzeption von HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU (2016) zusammenfassend dargestellt werden.

Methodik

Die Konzeption des Agroforstsystems wurde von HOFMANN und HÜBNER-ROSENAU (2016) im Rahmen einer gemeinsamen Bachelorarbeit entwickelt. Dazu erfolgte eine Literaturrecherche zu dem Stand der Forschung zu Agroforstsystemen und deren Potenziale in Deutschland. Anschließend wurden alle beteiligten Stakeholder zu ihren Vorschlägen und Interessen befragt (Flächeneigentümer, Bewirtschafter, Landwirtschafts-und Naturschutzbehörden). Verschiedene mögliche Komponenten des Agroforstsystems wurden auf deren Kompatibilität untersucht und in ein Gesamtdesign überführt. Im Mittelpunkt der Arbeit stand dabei die Frage, wie ein komplexes Agroforstsystem aussehen kann, das ökonomisch rentabel, ökologisch wertvoll, wissenschaftlich aussagekräftig und durch Landwirt*innen vor Ort praktisch umsetzbar ist. Die Designvorschläge wurden mit Expert*innen diskutiert und daraufhin finalisiert. 

Ergebnisse

Laut DEN HERDER et al. (2016) werden Agroforstsysteme in Deutschland auf 1,6 % der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche umgesetzt; im Vergleich dazu sind es in Griechenland 31,2 % und in Frankreich 23,5 % (ebd.). In Deutschland ist dabei die KUP die gängigste Agroforstform. Mit der Konzeption eines andersartigen Agroforstsystems wird Neuland betreten, weshalb bei der Konzeption eine enge Abstimmung mit den zuständigen Behörden erfolgen sollte.

Die Projektfläche liegt ca. 40 km nördlich von Berlin im Löwenberger Land im Ortsteil Großmutz und wird derzeit von einem ansässigen Landwirt konventionell bewirtschaftet. Die Projektfläche weist insgesamt eine Größe von ca. 30 ha auf und besteht aus drei Acker-Schlägen und einer Grünlandfläche, die rund um eine ehemalige Schmelzwasserrinne angeordnet sind (s.a. Abb. 1).

Die durchschnittliche Jahresniederschlagssumme lag zwischen 1981 und 2010 bei 572 mm und die durchschnittliche Jahrestemperatur betrug ca. 9 °C (DWD 2016a und 2016b). Laut Aussage von WINTER (mdl. Mit. 2016) verfügt die Fläche über 25-35 Bodenpunkte und besteht aus lehmigem Sand. Wasser- und Winderosion sowie Wildverbiss stellen eine große Herausforderung für die Bewirtschaftung der Fläche dar (HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU 2016).

In die Designentwicklung wurden auch die Interessen der beteiligten Stakeholder mit einbezogen. Demnach soll das Agroforstsystem möglichst so angelegt werden, dass einerseits wenig Zusatzaufwand für den Pächter entsteht. Andererseits soll der ökologische Nutzen durch Habitate zur Erhöhung der Biodiversität, durch Erosionsschutz und durch den Aufbau von Bodenfruchtbarkeit gesteigert werden.

Das Gesamtdesign

Für das Modellprojekt wurde eine Mischung standortangepasster Wertholzbäume ausgewählt, die in Reihen auf der Ackerfläche angeordnet und teilweise mit Fruchtertragskomponenten unterpflanzt sind. Außerdem sind Windschutzhecken und artenreiche KUP- Elemente integriert, die der Produktion von Frisch-Zweig-Häckseln (FZH) dienen. Die FZH sind als Mulchschicht zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit auf einem Ackerstreifen vorgesehen. So entsteht ein komplexes, multispezifisches Gesamtsystem, das zugleich mehrere Funktionen erfüllt (s.a. Abb. 1).

Wertholzkomponenten

Ziel der Integration von Wertholzbäumen in Agroforstsystemen ist es, nach etwa 50 Jahren wertvolles, möglichst fehlerfreies Holz zu ernten. Dafür wird ein langes Stück an astfreiem Stammholz mit entsprechendem Durchmesser benötigt (BRIX et al. 2009). Die Integration von Wertholzbäumen auf landwirtschaftlichen Flächen ist eine in Europa zwar gängige Praxis, in Deutschland wird sie jedoch nur in geringem Umfang erprobt (CHALMIN & MASTEL 2009; HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU 2016). Grundsätzlich erscheint die Integration von Wertholzbäumen aus Sicht der Landwirt*innen attraktiv, da durch den Holzverkauf ein hoher Erlös erwartet werden kann und die Bäume durch ihre Laubstreu und ihren Feinwurzelumsatz zur Bodenverbesserung beitragen können (CHALMIN & MASTEL 2009). Gleichzeitig wird nur ein geringer Anteil der landwirtschaftlichen Fläche beansprucht und der zusätzliche Arbeitsaufwand bleibt gering. Mögliche negative Auswirkungen auf die Ackerkulturen können sich vor allem durch die im Alter zunehmende Verschattung der Bäume und durch die Wasser- und Nährstoffkonkurrenz ergeben (REEG 2010). Diese Auswirkungen können durch die Wahl tiefwurzelnder Laubbaumarten mit lichtdurchlässigen Kronen einerseits und durch entsprechende Pflegemaßnahmen (Wurzelraumregulation und Astung) andererseits minimiert werden.

Für die Wertholzproduktion empfehlen BENDER et al. (2009) Standorte mit einem Mindestniederschlag von 600 mm/a. CHALMIN & MASTEL (2009) führen aus, dass eine Wertholzproduktion auf flachgründigen, grundwasserfernen und trockenen (sandigen) Böden nicht empfehlenswert sei. Damit ist die Projektfläche nicht optimal für die Wertholzproduktion geeignet. Jedoch kann die Wahl standortangepasster Baumarten die Wahrscheinlichkeit für eine gute Wuchsleistung erhöhen (HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU 2016). Es konnte gezeigt werden, dass sich für die Projektfläche insbesondere Baumhasel (​Corylus colurna), Wildbirne (​Pyrus pyraster), Traubeneiche (​Quercus petraea), Robinie (​Robinia pseudoacacia), Speierling (​Sorbus domestica) und Elsbeere (​Sorbus torminalis) eignen (ebd.). Eine derart vielfältige Mischung heimischer und seltener Baumarten erhöht den naturschutzfachlichen Wert (REEG et al. 2009).

Die Wertholzbäume werden in Reihen auf der Projektfläche integriert. Der Baumreihenabstand sollte an die gängige Arbeitsbreite der Bewirtschaftungstechnik angepasst sein (BRIX et al. 2009) und wurde daher auf 36 m festgelegt (mdl. Mit. WINTER 2016). Um eine ungleichmäßige Verschattung der Ackerkulturen zu vermeiden, wird eine Nord-Süd-Ausrichtung empfohlen (BRIX 2006). Da die Kronenbreite entscheidenden Einfluss auf den Durchmesserzuwachs des Baumes hat (ABT & HOCHBICHLER 2013), soll eine gute Kronenentwicklung durch einen ausreichend großen Standraum von 15 m zwischen den Bäumen innerhalb einer Reihe unterstützt werden (BENDER et al. 2009). Da mit dem Ausfall einiger Bäume gerechnet werden muss, soll im Zweier-Verbund gepflanzt werden (BRIX et al. 2009). Somit ergibt sich eine Dichte von zunächst 26 bzw. dann 13 Bäumen/ha.

Fruchtertragskomponenten

Die Integration von Fruchtertragskomponenten trägt zu einer höheren Einkommensdiversifizierung und Risikostreuung bei. Außerdem wird der Standraum über dem Ackerboden noch effektiver ausgenutzt, was die Gesamtflächenproduktivität (Land-Equivalent-Ratio) steigert (DUPRAZ et al. 2004).

Eine umfangreiche Prüfung verschiedener Obstarten ergab, dass insbesondere folgende Obstbauspezialkulturen geeignet sind: Sanddorn (​Hippophae rhamnoides), Aronia (​Aronia spp.) und Baumhaseln (​Corylus colurna). Vorteile dieser sind vor allem geringe Standortansprüche sowie eine hohe natürliche Resilienz und daraus resultierend ein geringer Pflegebedarf (HÖHNE 2016). Die Sträucher sollen zur Direktvermarktung durch eine ortsansässige Marmeladenmanufaktur in den ersten beiden Reihen zwischen die aufgeasteten Werthölzer (15 m Abstand) gepflanzt werden. In Reihe 1 sollen zwischen die Wertholzbäume je 6 Sanddornsträucher gesetzt werden, wobei einer zur Bestäubung männlich ist (insgesamt 144 Sanddornsträucher). In Reihe 2 werden je Zwischenraum 4 Aroniasträucher gepflanzt (96 Aroniasträucher).

Wenn die Kronen der Werthölzer sich nach etwa 30 Jahren schließen und dadurch die Beschattung stärker zunimmt, ist die typische Standzeit der entsprechenden Obstkulturen erreicht und diese können dann gerodet werden. Darüber hinaus sind durch ein derartiges Design neben dem Fruchtertrag positive Nebeneffekte durch besseren Windschutz aber auch durch eine höhere naturschutzfachliche Wertigkeit (z.B. erhöhtes vertikales Stratenangebot) zu erwarten. In Reihe 3 sollen Baumhaselen als Wertholzbäume mit Zusatznutzen gepflanzt werden. Die Sorte Granat weist zusammen mit geeigneten Kreuzbefruchtungssorten hohe Ertragsleistungen und relativ große, dünnschalige Nüsse auf (TATSCHL 2015). Ausführlichere Darstellungen zu Standortansprüchen, Managementaspekten, Sortenempfehlungen und Vermarktbarkeit finden sich bei HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU (2016).

KUP-Komponente und Frisch-Zweig-Häcksel zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit

Eine hohe Bodenfruchtbarkeit hängt eng mit dem im Humus organisch gebundenem Kohlenstoff (C​org) zusammen (DUNST 2015). Durch eine Steigerung der Bodenfruchtbarkeit wird neben der Verbesserung der Pflanzenernährung und -gesundheit auch Resilienz gegenüber Witterungsextremen wie Vorsommertrockenheit der Kulturpflanzen gestärkt (BESTE 2015). So kann z.B. ein Boden durch 1 % mehr Humus in der oberen Ackerkrumme 40 mm mehr Regenwasser pflanzenverfügbar halten (FiBL et al. 2012).

Trotz dieser herausragenden Bedeutung von Humus stellen KITTREDGE (2015) und KUTSCH et al. (2010) fest, dass sowohl konventionelle als auch biologische Landwirtschaftsbetriebe in Europa meist negative C-Bilanzen aufweisen. Im Durchschnitt sind dies −240 g C/m2/a, obwohl nach den EU-Richtlinien der guten fachlichen Praxis gewirtschaftet wird (ebd.). Daraus lässt sich ableiten, dass die Landwirtschaft neuer Ansätze zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit bedarf.

Ob ein langfristiger Humusaufbau gelingt, hängt nach BLUME (2011) davon ab, ob Nährhumus oder Dauerhumus aufgebaut wird. Nährhumus wird schnell mineralisiert und trägt damit zur direkten Ernährung von Pflanzen und Bodenorganismen bei. Dauerhumus hingegen entsteht laut BLUME (2011) aus aromatischen Stoffgruppen der Lignine oder Polyphenole. Aufgrund biochemischer Persistenzfaktoren brauchen die delignifizierenden Mikroorganismen andere Energiequellen für den Umbau der Lignine in die dunkel-gefärbten Huminsoff-Kolloide (KANDELER 2011). Frische, dünne Äste enthalten neben Lignin auch einen relativ hohen Anteil leichter verfügbarer Energiequellen wie z.B. Aminosäuren und Cellulose und bieten somit Nahrung für den Co-Metabolismus der Delignifizierer (LEMIEUX 1996).

Eine französisch-kanadischen Wissenschaftsgruppe erforschte in weltweiten Praxisversuchen von 1970 bis 2000 die Auswirkungen von Frisch-Zweig-Häckseln (FZH) auf die Bodenfruchtbarkeit (CARON 1994; LEMIEUX & GERMAIN 2000).

FZH wirken optimal, wenn sie als oberflächliche Mulchschicht appliziert werden (LEMIEUX & GERMAIN 2000). Dies erfordert jedoch eine Umstellung auf Minimalbodenbearbeitungs-Verfahren, zu denen sich Managementempfehlungen bei HOFMANN & HÜBNER-ROSENAU (2016) finden. Ein Grund hierfür ist vermutlich, dass die delignifizierenden Weißfäulnispilze (​Basidiomyceten) natürlicherweise vor allem in der Streuschicht von Wäldern vorkommen (PRILLINGER 2011). Außerdem können so zahlreiche weitere positive Effekte von Mulch genutzt werden. So bietet Mulch Lebensraum für das Bodenleben, verhindert Bodenverschlemmung und Erosion bei Starkregen, verringert die Bodenverdunstung, erhöht die Wasserspeicherkapazität, verringert den Beikrautdruck und reguliert den Wärmehaushalt des Bodens (LOWENFELS & LEWIS 2006). Auf mit FZH behandelten Böden treten laut CARON (1994) weniger Pflanzenkrankheiten, jährliche Ertragssteigerung von 30-300 % auf, außerdem werde Stickstoff vermehrt durch mikrobielle N-Fixierung und durch Mykorrhizierung für Pflanzen verfügbar.

Um diese vielfältigen Vorteile von FZH leichter in landwirtschaftliche Betriebe integrieren zu können, entwickelte GÖTSCH (1994) den Ansatz weiter, indem er die FZH auf demselben Standort, wo sie appliziert werden sollen, in Form von Agroforstsystemen produziert.

Bei der FZH-Produktion ist zu beachten, dass die Äste einen Durchmesser von maximal 7 cm haben sollten, da hier das Lignin noch in einer für Mikroorganismen leichter umzubauenden Polyphenolstruktur vorliegt (LEMIEUX & GERMAIN 2000).

Auf der Modellfläche sollen die FZH, neben kleineren Mengen aus der Wertholzastung und dem Wildobst- sowie Heckenschnitt, vor allem durch schnell wachsende Gehölze in Form von KUP erzeugt werden.

Die KUP soll in den ackerbaulich weniger interessanten Ausbuchtungen nördlich der Schmelzwasserrinne angelegt werden (s.a. Abb. 1) und zu je 40 % aus Robinien und Pappeln bestehen; die weiteren 20 % sollen entsprechend naturschutzfachlicher Empfehlungen von WINTERLING, BORCHERT & WIESINGER (2014) und BIELEFELDT et al. (2008) zu 10 % aus Eberesche ​(​Sorbus aucuparia) ​und zu weiteren 10 % aus einer vielfältigen Mischung standortangepasster, heimischer Klimax-Gehölze: wie Grauerle (​Alnus incana), Hasel (​Corylus avellana) und Hainbuche (​Carpinus betulus) bestehen. Dies bietet sich insbesondere an, da Vergleichsversuche gezeigt haben, dass die klassischen Klimax-Hartholz-Laubholzbäume eine für FZH optimal geeignete Ligninstruktur aufweisen (LEMIEUX 1996). Die KUP-Fläche soll mit einem einreihigen System im Pflanzabstand von 1,6 x 0,4 m (15.500 Pflanzen /ha) bepflanzt werden.

Bei einer Ertragsschätzung für Standorte auf sandigen Böden mit durchschnittlich 7-15 t​atro​ / ha und Jahr (BÖHM 2012) ergibt sich eine Leistung von etwa 50-100 Srm/ha/a. Somit können bei 3-jährigem Umtrieb 150-300 Srm/ha und bei 4-jährigem Umtrieb 200-400 Srm/ha geerntet werden. Für die Anfangszeit werden FZH-Applikationsmengen in der Höhe 150-300 Srm/ha alle 3 bis 4 Jahre empfohlen (CARON 1994). Somit könnte 1 ha KUP etwa 1 ha Acker und später etwas mehr mit einer ausreichenden FZH-Menge versorgen. Nicht benötigte Hackschnitzel können ggf. zur energetischen Nutzung vermarktet werden.

Wissenschaftliche Datenerhebung und Lehre

Die vielfältigen Auswirkungen des Agroforstsystems sollen im Rahmen von fachbereichsübergreifenden, praxisbezogenen Spezialisierungs- und Wahlplichtmodulen durch Studierende der HNE Eberswalde dauerhaft wissenschaftlich untersucht werden. Dies trägt zu einem stärker forschungsorientierten und selbstverantwortlichen Lernen bei. Gleichzeitig werden auf diese Weise langfristige Datenreihen generiert, die immer wieder aktualisiert und analysiert werden und deren Aussagegehalt somit regelmäßig erhöht wird.

Für die Ableitung wissenschaftlicher, statistisch-signifikanter Aussagen aus den Datenerhebungen werden drei Transekt-Streifen quer zu den Baumreihen über das gesamte Feld gelegt (s.a. Abb. 1: 1abc, 2abc, 3abc). Damit ist eine hohe Anzahl an Wiederholungen möglich. Innerhalb der Transekte findet in klar abgegrenzten Teilflächen eine stichprobenartige Erhebung der Daten statt (s.a. Abb. 2). Zugleich bleibt durch den Versuchsaufbau eine hohe Praktikabilität für den Bewirtschafter gewahrt.

Schwerpunktmäßig sollen die Auswirkungen auf biotische und abiotische Bodeneigenschaften gemessen werden. Ferner sollen auch Daten zum Mikroklima, zu der Biodiversität der Begleitflora- und fauna, sowie zu den Wuchsleistungen der Gehölze und Ackerkulturen aufgenommen werden. Gesondert werden die Auswirkungen der FZH auf die Bodenfruchtbarkeit der Transektfläche A, B und C untersucht (​s.a. Abb. 2)​.

Fazit

Die Konzeption des Designs verlief im Spannungsfeld folgender Pole: “Multifunktionalität vs. geringe Arbeitskapazitäten des Bewirtschafters”, “Modellprojekt vs. wissenschaftliche Versuchsfläche”, “Naturschutz vs. ökonomische Rentabilität”. Das hier vorgestellte Design ist der Versuch die Interessen aller Stakeholder durch ein innovatives, vielseitiges, naturschutzfachlich wertvolles und zugleich praktisch umsetzbares, sowie wirtschaftlich rentables Agroforstsystem zu berücksichtigen. Agroforstsysteme sind in Deutschland bisher keine anerkannte landwirtschaftliche Flächennutzungsform und daher auch nicht förderfähig. In Anbetracht der daraus derzeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile ist es verständlich, dass Landwirt*innen sich dabei zurückhalten Bäume auf ihre Äcker zu pflanzen. Dies hängt darüber hinaus mit der derzeitigen betriebswirtschaftlichen Finanzbuchhaltung zusammen: den zahlreichen positiven ökologischen Auswirkungen (Ökosystemdienstleistungen) von Agroforstsystemen werden bisher keine monetären Werte zugeordnet. Ansätze hierzu finden sich jedoch bereits bei HIß (2015) und FELBER (2012). Die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung dieser Modelle erscheint damit für die Verbreitung wirklich nachhaltiger Landnutzungssysteme wie AFS von herausragender Bedeutung. Zusätzlich wäre eine (monetäre) Anerkennung dieser Ökosystemleistungen beispielsweise als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme wünschenswert. Zuerst erscheint es jedoch dringend notwendig, dass die nationalen agrarpolitischen Vorgaben nach dem Beispiel Frankreichs angepasst werden.

Damit sich diese Rahmenbedingungen jedoch ändern, ist die Ausstrahlungswirkung wissenschaftlich begleiteter Modellprojekte, wie diesem, von besonderer Bedeutung. Durch die Nähe zu Berlin können sich hier neben Landwirt*innen und Landeigentümer*innen auch politische Entscheidungsträger*innen im Rahmen von Exkursionen von der erhöhten Flächenproduktivität, dem Aufbau von Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität sowie weiteren Potenzialen wie z.B. der Landschaftsästhetik von Agroforstsystemen überzeugen.

 

Nachwort des Autors Paul Hofmann

Zurzeit befinde ich mich mit der Akademie für angewandtes gutes Leben und der Gemeinschaft Sonnenwald in der Gründungsphase eines Praxisforschungsbetrieb zu „Regenerativer Agrikultur“ im Nordschwarzwald. Da ich es selbst bewirtschaften werden, muss ich hier weniger Kompromisse beim Design des Agroforstsystems eingehen und kann ein komplexes, agrarökologisches, sukzessionales System kreieren, das ich im Rahmen meiner Masterarbeit erstelle. Durch die große Gemeinschaft gibt es sowohl finanzielle Ressourcen als auch Unterstützung zur Erntesaison von Esskastanien, Walnüssen und Wildobst.

Unser Anliegen ist es, eine nachhaltige ökonomische Produktivität mit Klima- und Naturschutz sowie mit solidarischer Verantwortung zu verbinden. Die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit & Biodiversität sowie das Schaffen von Nährstoffkreisläufen sind uns dabei besonders wichtig. Als Bildungs- und Forschungszentrum ist unser Betrieb ein praktisches Vorbild für eine regenerative Agrikultur, die alte Traditionen und zukunftsweisende Innovationen integriert.

Wir begegnen allem Lebendigen mit Wertschätzung und in demütiger Achtsamkeit. Dies zeigt sich unter anderem in guten Arbeitsbedingungen und einer liebevoll-ethischen Haltung gegenüber den Tieren. Bei der Betriebsentwicklung beziehen wir alle aus dem Hofumfeld aktiv mit ein, um gemeinsam einen heilsamen und regenerativen Ort zu gestalten. Der Hof ist einer der Bildungsbetriebe im Kontext der Gemeinschaft Sonnenwald und der Akademie für angewandtes gutes Leben.

Ab 2019 beginnen wir mit 4 Personen im Kernteam und einem Kreis engagierter Gemeinschaftsmitglieder auf ca. 65 ha in den Gemeinden Schernbach und Göttelfingen (Seewald) schrittweise mit folgenden Bereichen: Gemüsebau im biointensiven Market-Garden, Imkerei, holistisches Weidemanagement mit Mutterkuhherde & Hühnermobilställen (beides mit alten Rassen), Minimalbodenbearbeitung mit Flächenrotte im Ackerbau (mit vielfältiger Fruchtfolge), sukzessionale Agroforstsysteme (mit Speierling, Elsbeere, Zucker-Ahorn, Walnüssen, Esskastanien, Wildobst und Erlen sowie Weiden als Biomasse für die Sukzessionsdynamik im System). Im Laufe der nächsten Jahre kommen schrittweise der Ausbau der Direktvermarktung (unter anderem als Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi)) sowie die Weiterverarbeitung in der eigenen Großküche durch andere Gemeinschaftsmitglieder hinzu.

 

Danksagung

Unser Dank gilt Dr. Ralf Bloch und Prof. Tobias Cremer für die aufmerksame und kritische Durchsicht dieses Beitrags. Besonders danken wir Tobias Cremer weiterhin für die Initiative und Ideengebung.

 

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mdl. Mit

Winter, M. (2016): bewirtschaftender Pächter auf dem Standort.

 

Dieser Artikel ist zuerst hier erschienen:

Hofmann​, P., Hübner-Rosenau​, D., Bloch, R. und Cremer, T. 2017. Konzeption eines Agroforst-Modellvorhabens für das Löwenberger Land (Brandenburg). In: Böhm, C. Bäume in der Land(wirt)schaft – von der Theorie in die Praxis. Tagungsband. URL: https://agroforst-info.de/wp-content/uploads/2017/03/Tagungsband_5_Forum_Agroforstsysteme_.pdf

 

Kontakt

Paul Hofmann: paul.hofmann[at]posteo.de

Prof. Dr. Tobias Cremer (Prodekan des Fachbereichs Wald und Umwelt an der HNE Eberswalde): Tobias.Cremer[at]hnee.de