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Agroforstsysteme

Der Begriff Agroforstsystem bezeichnet eine Landnutzungsform, bei der Bäume und Sträucher mit Ackerpflanzen und/oder Tierhaltung auf derselben Fläche kombiniert werden, um von den ökologischen und ökonomischen Interaktionen zu profitieren[1]. Die Vielfalt an Möglichkeiten der Systemgestaltung hinsichtlich der Artenzusammensetzung und der Bewirtschaftung ist groß. Agroforstsysteme lassen sich in die Wirkungsbereiche Silvoarable Systeme (Gehölze mit Ackerpflanzen), Silvopastorale Systeme (Gehölze mit Tieren, →Silvopastorale Agroforstsysteme) und Agrosilvopastorale Systeme (Gehölze mit Tieren und Ackerpflanzen) unterteilen[2].

Ziel und Innovation

Die Grundidee von Agroforstsystemen besteht darin, die Synergiepotenziale der heutzutage häufig voneinander getrennten Landnutzungsformen Tierhaltung, Futterbau und Acker-, Garten-, Wein- und Obstbau auszuschöpfen und somit die Erträge zu steigern und den Boden zu schützen. Zugleich sollen Feuerholz, Futter, Früchte und Bauholz auf ein und derselben Fläche produziert werden.

Agroforstsysteme liefern positive externe Effekte auf die Umwelt. So kann die Einbeziehung von Bäumen in Anbausysteme zur Reinigung des Grundwassers beitragen, indem Stickstoffauswaschungen ins Grundwasser reduziert werden[3]. Zudem bieten Agroforstsysteme vielfältige Habitate für Tiere, Pilze und Pflanzen, sodass im Vergleich zu konventionellen Anbausystemen die Biodiversität in landwirtschaftlich geprägten Regionen erhöht werden kann[4]. Bäume tragen in Agrarökosystemen dazu bei, langfristig mehr Kohlenstoff unter- und oberirdisch zu binden (CO2-Senke), den Humusaufbau zu begünstigen sowie Schutz vor Erosion durch Wind und Wasser zu bieten[5]. Die infolge des Klimawandels zunehmenden Wetterextreme können durch Agroforstsysteme ausgeglichen werden. Beispielsweise werden Temperaturextreme durch die Beschattung reduziert. Werden Agroforstsysteme nicht mit ökologischen Praktiken kombiniert, kann zumindest durch die Verbesserung der Nährstoffnutzung und geschlossener Nährstoffkreisläufe sowie durch die höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen der Einsatz von Agrochemikalien und Düngemitteln stark reduziert werden[6].

Indem Bäume Nährstoffe aufschließen, welche die Ackerkulturen alleine nicht imstande wären aufzuschließen[7], erzielen Agroforstsysteme durch diese Synergieeffekte eine höhere Gesamtproduktivität und somit höhere Flächenerträge im Vergleich zu Monokultur-Systemen[8]. Die Produktpalette wird (auch im Vergleich zum Waldgarten-Konzept) erweitert und so kann bspw. das Holz als nachhaltiger Energierohstoff veräußert werden. Ein besonderer Vorteil der Einbeziehung von Bäumen in die Landwirtschaft ist die ästhetische Wirkung dieser Kulturlandschaft. Dies spielt eine große Rolle bei der gesellschaftlichen Akzeptanz und Wertschätzung des Systems.[9]

Beispiele

Mazi-Farm - Griechenland, AFINET Agroforestry Innovation - Netzwerk, Dehesa Farms -  Spanien, The World Agroforestry Centre

Kategorie

Vorleistung, Produktion

Akteur*innen

Land-/Forstwirtschaftliche Erzeuger und Erzeugerinnen

Entwicklungsstand und -dynamik

Agroforstwirtschaft wird weltweit auf etwa 1 Milliarde Hektar in mannigfaltigen Formen praktiziert[14]. Das Spektrum umfasst Waldgarten-Systeme und Shifting-Cultivation in den Tropen, Aquakulturen in Mangrovenwäldern und Energieholzsysteme, welche besonders in Mitteleuropa weit verbreitet sind[15]. In der EU-Verordnung bezüglich der ›Gemeinsamen Agrarpolitik‹ werden Agroforstsysteme grundsätzlich berücksichtigt. Allerdings werden sie als eigenständige Landnutzungsform bisher in der deutschen Gesetzgebung nicht eindeutig anerkannt und definiert. Das hat zur Folge, dass eine der EU-Verordnung folgende Agrarförderung in Deutschland nur für wenige Formen möglich ist. Diese Formen sind ›Streuobstwiesen mit Grünlandnutzung‹, ›Landschaftselemente‹ oder ›Niederwald mit Kurzumtrieb‹[16].

Nachhaltigkeitspotenzial

Ökologisch

  • Biodiversität/Artenvielfalt
  • Boden
  • Wasser
  • Klima
  • Luft
  • Ressourceneffizienz in Produktion und Konsum

Ökonomisch

  • Armutsbekämpfung (indirekt)
  • Erhöhung der Ernährungssicherheit (indirekt)

Risiken / Nachteile

Hinsichtlich bestehender Nachteile verweisen Befürworter und Befürworterinnen der Agroforstsysteme auf die höheren Kosten, die für die Etablierung und die Bewirtschaftung notwendig sind[17]. Auch der Arbeitsaufwand sei höher als bei anderen Systemen. Die langfristige Kapitalbindung durch die nur langsam wachsenden Gehölze kann ein Problem darstellen. Die gemeinsame Ressourcennutzung (Licht, Nährstoffe, Wasser) von Gehölzen und Ackerkulturen sowie der geteilte Wuchsraum können neben den oben beschriebenen Vorteilen auch negative Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum haben.

Die bisherige geringe Akzeptanz von konventionellen Landwirten und Landwirtinnen hinsichtlich Agroforstsystemen kann sich nachteilig auf deren Verbreitung auswirken. Die Systeme sind bisweilen wenig bekannt, genießen bei befragten Landwirten und Landwirtinnen wenig Vertrauen und werden von einigen als unproduktiv eingeschätzt[18]. Aufklärungsarbeit und Unterstützungsangebote für Landwirte und Landwirtinnen bei der Umstellung könnten sich als notwendig erweisen.


[1] Nair, P. K. R. (1985). Classification of agroforestry systems. In: Agroforestry Systems, 3(2), S. 97–128. https://doi.org/10.1007/BF00122638

[2] Toensmeier, E. (2016): The Carbon Farming Solution - A Global Toolkit of perennial Crops and Regenerative Agriculture Practices for Climate Change Mitigation and Food Security

[3] Brown, S. E. et al. (2018): Evidence for the impacts of agroforestry on agricultural productivity, ecosystem services, and human well-being in high-income countries: A systematic map protocol. Environmental Evidence, 7(1), 24. https://doi.org/10.1186/s13750-018-0136-0

[4] Reeg, T. et al.(2009): Agroforstsysteme aus Sicht des Naturschutzes. In: Anbau und Nutzung von Bäumen auf Landwirtschaftlichen Flächen (S. 301–311). https://doi.org/10.1002/9783527627462.ch27

[5] Quinkenstein, A.et al. (2009): Ecological benefits of the alley cropping agroforestry system in sensitive regions of Europe. Environmental Science & Policy, 12(8), 1112–1121. https://doi.org/10.1016/j.envsci.2009.08.008

[6] ebd.

[7] Smith, J. (2010): Agroforestry: Reconciling Production with Protection of the Environment A Synopsis of Research Literature.

[8] Brown, S. E. et al. (2018): Evidence for the impacts of agroforestry on agricultural productivity, ecosystem services, and human well-being in high-income countries: A systematic map protocol. Environmental Evidence, 7(1), 24. https://doi.org/10.1186/s13750-018-0136-0

[9] Brookfield H. and Padoch C. (1994): Agrodiversity. Environment 36(5): 7-11, S. 37-45

[10] Konold, W., & Reeg, T. (2009). Historische Agroforstsysteme in Deutschland. In: Anbau und Nutzung von Bäumen auf Landwirtschaftlichen Flächen (S. 313–324). https://doi.org/10.1002/9783527627462.ch28

[11] ebd.

[12] Brookfield H. and Padoch C. (1994): Agrodiversity. Environment 36(5): 7-11, S. 37-45.

[13] Nair, P. K. R. (2009): An Introduction to Agroforestry.

[14] Nair, P. et al. (2010): Carbon Sequestration in Agroforestry Systems. Advances in Agronomy, 108, 237–307. doi.org/10.1016/S0065-2113(10)08005-3

[15] Gruenewald, H. et al. (2007): Agroforestry systems for the production of woody biomass for energy transformation purposes. Ecological Engineering, 29(4), 319–328. https://doi.org/10.1016/j.ecoleng.2006.09.012

[16] Böhm, C. et al. (2017): Wie können Agroforstsysteme praktikabel in das deutsche Agrarförderrecht ein­gebunden werden? In: Böhm, C. Bäume in der Land(wirt)schaft – von der Theorie in die Praxis. Tagungsband mit Beiträgen des 5. Forums Agroforstsysteme. Senftenberg, BTU Cottbus, S. 7-16.

[17] Agroforst (2018): Pro und Contra Agroforst. Web, 06.12.2019. agroforst-info.de/chancen/

[18] Kaeser, A. et al. (2011): Agroforstwirtschaft in der Schweiz. 2(3), 28–133.