Zu den alternativen Verpackungsmaterialien zählen Stoffe, die erdöl- oder erdgasfrei hergestellt werden, aus nachhaltigen (nachwachsenden) oder sekundären Rohstoffen bestehen, rückstandsarm und leichter kompostierbar oder essbar sind. Sie sollen dort als Verpackungsmaterial zum Einsatz kommen, wo eine gänzliche Verpackungsvermeidung nicht möglich ist. Sie stellen nicht nur eine Alternative zu Verpackungen aus Kunststoffen auf der Basis fossiler Brennstoffe sondern auch zu Verpackungen aus umweltschädlichen ›biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen‹ (auch ›Bio-Kunststoffe‹ genannt) dar.[1]
Die Lebensmittelproduktion zählt zu den Bereichen mit dem größten Kunststoffverbrauch[2]. Kunststoffe sind aufgrund ihrer Beständigkeit gegenüber biologischen Abbauprozessen das beliebteste Verpackungsmaterial für Lebensmittel. Neben der in den Medien viel diskutierten Anreicherung von Plastik in den Ozeanen sind auch Binnengewässer, Trinkwasser, Böden als Grundlage landwirtschaftlicher Produktion und die Luft mit Plastik verunreinigt.[3] Ziel ist es, diesen Verpackungsmaterialverbrauch möglichst zu vermeiden. Bei notwendigem Verpackungsbedarf sollen nachhaltigere Alternativen die umweltschädlichen Kunststoffe ersetzen.
Sogenannte ›biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe‹ setzen zwar im Vergleich zu Kunststoffen basierend auf Rohöl weniger klimaschädliches CO2 frei, sind insgesamt aber nicht zwingend umweltverträglicher.[4] Es können zwar tatsächlich je nach Material fossile Brennstoffe eingespart werden, doch sind von dem 0,6%igen Anteil der Bio-Kunststoffe an der gesamten globalen Kunststoffproduktionskapazität nur 36,3% teilweise biologisch abbaubar und 63,7% biobasiert (nicht biologisch abbaubar).[5] Die biobasierten Kunststoffe bestehen meistens aus industriell angebauten stärke- und cellulosereichen Kulturpflanzen wie Mais und Zuckerrohr, die teilweise genetisch modifiziert werden und deren Anbau mit gravierenden Umweltschäden einhergeht. Dazu zählen ein höheres Versauerungs- und Eutrophierungspotenzial, ein potentiell höherer Bedarf an Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln sowie Brennstoffen für Landmaschinen.[6] Der zusätzliche Flächenbedarf könnte zu Konkurrenz um Flächen mit der Lebensmittelproduktion führen oder Ausgleichs- und Waldflächen könnten weniger werden.
Derzeit neue vielversprechende Alternativen zu umweltschädlichen biobasierten Kunststoffen für notwendige Verpackungsbedarfe sind beispielsweise Kunststoffe aus Papier, Stroh, Pilzen, Algen und Kleie. So stellt das finnische Unternehmen ›Kotkamill‹ komplett rezyklierbare Verpackungen aus Papier her, welche mit einem speziellen Verfahren behandelt werden, sodass sie wasserdicht sind[7]. Das deutsche Start-up ›Landpack‹ verwendet Stroh (und Hanf) als Grundmaterial für isolierende Verpackungen, die wie Styropor verwendet werden können[8]. Das amerikanische Unternehmen ›Ecovative‹ stellt ebenfalls eine abbaubare Alternative zu Styropor her. Diese besteht aus Pilzen und Bioabfällen[9]. Das komplett kompostierbare Material ›Notpla‹ vom gleichnamigen Start-up basiert primär auf Braunalgen, die als transparente und elastische Verpackungen für Flüssigkeiten verwendet werden können[10]. In Österreich hat das Unternehmen ›NaKu‹ Flaschen aus einem Material entwickelt, das aus Milchsäure sowie Sonnenblumenschalen, als Abfallprodukt bei der Ölherstellung, gewonnen wird[11]. Obwohl Geschirr in erster Linie wiederverwendbar sein sollte, gibt es für den Einwegbedarf einen interessanten Ansatz zur Abfallvermeidung: essbares Geschirr. Die polnische Firma ›Biotrem‹ verarbeitet bei der Weizenverarbeitung anfallende Kleie zu einem Material, das als Basis von essbarem Geschirr und Besteck dient[12].
DoEat, Kotkamills, Biotrem, Two Farmers, Lyspackaging, Greenway, Ecosoul, Landpack, Notpla
Verarbeitung, Handel, Konsum, Abfall und Wiederverwertung
Produzenten und Produzentinnen alternativer Verpackungsmaterialien, Konsumenten und Konsumentinnen, Lieferanten und Lieferantinnen
Bis in die 1930er Jahre wurden Kunststoffe fast ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt[13]. Die massive Verbreitung von Kunststoffverpackungen basierend auf fossilen, nicht erneuerbaren Rohstoffen begann erst nach dem Zweiten Weltkrieg[14]. Letztere verdrängten andere Verpackungsmaterialien und drangen in alle Lebensbereiche vor. Heute basieren 99,4%[15] bzw. 98,7%[16] des weltweit verwendeten Kunststoffs auf fossilen Brennstoffen[17]. Der übermäßige Kunststoffverbrauch (auch ›Kunststoffboom‹) hielt lange Zeit an. Doch Probleme in der Abfallwirtschaft und die Bewusstseinssteigerung über die Begrenztheit fossiler Rohstoffe und treibhausrelevanter Gase drängten in den 1980er und 1990er Jahren auf die Entwicklung von umweltgerechten Lösungsvorschlägen.[18] Zum einen bedeutete dies die Vermeidung von Verpackungsmaterialien und zum anderen die Forschung und Entwicklung alternativer Verpackungsmaterialien.[19]
Dem oben genannten Bewusstseinswandel, den Plastikverbrauch zu reduzieren bzw. zu vermeiden, wird in den Medien besonders in den letzten Jahren Bedeutung beigemessen. Er manifestiert sich zunehmend auch in politischen Handlungen[20]. Eine EU-Richtlinie von 2015[21] fördert die schrittweise Reduzierung von Plastiktüten, welche in Deutschland durch die vereinbarte Kostenpflicht von Plastiktüten bislang erfolgreich umgesetzt wird. Ein weiteres Beispiel weist Frankreich auf, welches ab 2020 Plastikgeschirr und –besteck verbietet.[22] Die EU hat Anfang des Jahres ein ähnliches Verbot bezüglich Plastikbestecks, -tellers und –Strohhalmen erlassen[23]. Auf der ganzen Welt formieren sich derzeit ›Zero-Waste-Bewegungen‹ wie die globale Bewegung ›break free from plastic‹, die auf die Vermeidung von Plastik im Lebensalltag hinwirken, Lösungen ausarbeiten und die öffentliche Präsenz der Agenda stärken[24]. Als Reaktion auf die Probleme befassen sich viele junge Unternehmen damit, essbare oder komplett kompostierbare Verpackungsmaterialien zu entwickeln, die für nicht vermeidbare Verpackungsbedarfe eine nachhaltigere Alternative darstellen.
Wie oben bereits beschrieben, können Bio-Kunststoffe das Versprechen, nachhaltiger als Kunststoffe basierend auf fossilen Brennstoffen zu sein, nicht einhalten. Es handelt sich aus vielen Gründen vielmehr um eine Verschiebung der nicht-nachhaltigen Umwelteinflüsse als um eine Lösung.[25] Nach wie vor ist die beste Lösung, die umweltschädlichen Verpackungsmaterialien von Produktion bis hin zum Konsum komplett zu vermeiden oder zu reduzieren.
Die hier vorgestellten alternativen Verpackungsmaterialien dienen lediglich als Ersatz von umweltschädlicheren Kunststoffen bei nötigem Verpackungsbedarf. Zwar sind sie vergleichsweise (schneller) nachwachsend (Beispiel Braunalgen), schneller abbaubar (Beispiel Stroh, Algen, Kleie), oder entstehen als Abfallprodukte bei der Produktion (Beispiel Sonnenblumenschalen, Kleie), aber sie sind nicht alle unbegrenzt und zu jeder Zeit verfügbar. Teilweise könnte der Anbau auch in Nutzungskonflikten mit der Nahrungs- oder Futtermittelproduktion stehen.
[1] Beier, W. (2009): Biologisch abbaubare Kunststoffe. Umweltbundesamt. August 2009: Dessau-Roßlau. S.3
[2] Chemnitz, C. & Rehmer C. (2019): Ernährung - Ein unappetitlicher Kreislauf. In: Heinrich-Böll-Stiftung sowie Bund für Umwelt & Naturschutz Deutschland (Hrsg.) Plastikatlas 2019. Daten und Faken über eine Welt voller Kunststoff. (2. Aufl.). S. 20-21.
[3] Busse, L. et al. (2019): Kunststoffe in der Umwelt. Umweltbundesamt. April 2019: Dessau-Roßlau. S. 14-22.
Moun, D., Flood, C., & Wefers, H. (2019): Abfallentsorgung: Hinter den Kulissen der ungelösten Plastikkrise. Heinrich-Böll-Stiftung. Web, 11.10.2019.https://www.boell.de/de/2019/05/27/abfallentsorgung-hinter-den-kulissen-der-ungeloesten-plastikkrise
[4] Umweltbundesamt (2019): Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe. April 2019. Web, 25.11.19 www.umweltbundesamt.de/biobasierte-biologisch-abbaubare-kunststoffe
[5] Burgstaller, M. et al. (2018): Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe. Umweltbundesamt. TEXTE 57/2018. Juni 2018: Dessau-Roßlau. S. 31.
[6] Umweltbundesamt (2017): Kurzposition Biokunststoffe. September 2017.
[7] Kotkamills (o. J.): Kotkamills. Web, 11.10.2019. https://kotkamills.com/
[8] Eschenlohr, P. (2019): Landpack—Ökologische Isolierverpackungen für Lebensmittel. Web, 11.10.2019. https://landpack.de/
[9] Ecovative Design LLC. (2019): Ecovative Design. Web, 11.10.2019. https://ecovativedesign.com
[10] Notpla Limited. (2019): We make packaging disappear. Web, 11.10.2019. https://www.notpla.com/
[11] Naku. (2019): Ökologische Trinkflasche aus Biokunststoff. NAKU AUS NATÜRLICHEM KUNSTSTOFF. Web, 11.10.2019. https://www.naku.at/flaschen/
[12] Biotrem (2016): BIOTREM. Web, 11.10.2019. http://biotrem.pl/de/
[13] Beier, W. (2009): Biologisch abbaubare Kunststoffe. Umweltbundesamt. August 2009: Dessau-Roßlau. S.3
[14] Caterbow, A. und Speranskaya, O. (2019): Geschichte. Durchbruch mit drei Buchstaben. Heinrich-Böll-Stiftung sowie Bund für Umwelt & Naturschutz Deutschland. Plastikatlas 2019. Daten und Faken über eine Welt voller Kunststoff. (2. Aufl.).S.10-11.
[15] IfBB (Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe) (2016): Biopolymers facts and statistics. Hochschule Hannover. Hannover
[16] European Bioplastics (2017): Bioplastics. Facts and Figures. Daten für das Jahr 2016. Berlin.
[17] Burgstaller, M. et al. (2018): Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe. Umweltbundesamt. TEXTE 57/2018. Juni 2018: Dessau-Roßlau. S. 31.; Unmüßig, B. und Weiger, H. (2019): Vorwort. Heinrich-Böll-Stiftung sowie Bund für Umwelt & Naturschutz Deutschland (Hrsg.) Plastikatlas 2019. Daten und Faken über eine Welt voller Kunststoff. (2. Aufl.). S. 6-7.
[18] Beier, W. (2009): Biologisch abbaubare Kunststoffe. Umweltbundesamt. August 2009: Dessau-Roßlau. S.3
[19] ebd.
[20] ebd.
[21] Richtlinie (EU) 2015/720 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG betreffend die Verringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen. 29. April 2015.
[22] Tagesspiegel (2016): Frankreich verbietet ab 2020 Plastikbesteck. 20.09.2016. Web, 11.10.2019. www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/umweltschutz-frankreich-verbietet-ab-2020-plastikbesteck/14575298.html
[23] Europäisches Parlament (2019): Wegwerfprodukte aus Plastik: Parlament stimmt für Verbot ab 2021. Pressemitteilung. 27 März 2019. www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20190321IPR32111/parliament-seals-ban-on-throwaway-plastics-by-2021
[24] Unmüßig, B. und Weiger, H. (2019): Plastikatlas 2019. Daten und Faken über eine Welt voller Kunststoff. Vorwort:. In: Heinrich-Böll-Stiftung sowie Bund für Umwelt & Naturschutz Deutschland. (2. Aufl.). S. 6-7.
[25] Umweltbundesamt (2019): Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe. April 2019. Web, 25.11.19 www.umweltbundesamt.de/biobasierte-biologisch-abbaubare-kunststoffe