Es werden Wiesenblumen- und Wildkräutersamen auf Seitenrändern von Autobahnen[1], öffentlichen Flächen, Parks, Gärten, Wiesen und zwischen Feldern sowie in Siedlungsgebieten gestreut, um lebendige Lebensräume für wildlebende Insekten zu schaffen. Hierbei werden regionale Wildblumen- und Wildkräutersamen verwendet, die auf den Bodentyp und die lokalen Bedingungen abgestimmt sind.
Durch die intensive Landwirtschaft ist der Lebensraum für wildlebende Insekten, insbesondere Wildbienen, stark eingeschränkt worden. In Agrarlandschaften hat die Population durch Pestizide, großflächige Monokulturen und Randflächen, die systematisch in Ackerland umgewandelt wurden, bereits deutlich abgenommen[2]. Bereits die Hälfte der ungefähr 560 in Deutschland heimischen Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht.[3] Dies hat zur Folge, dass auch Nutzpflanzen seltener bestäubt werden, was in direktem Zusammenhang zur Sicherung landwirtschaftlicher Erträge und damit zur Ernährungssicherheit der Menschen steht[4].
Das Ziel ist es, auf potentiellen Wiesenflächen einen lebendigen Lebensraum und ein natürliches Gleichgewicht entstehen zu lassen, welche wildlebenden Insekten, wie Mauerbienen, Hummeln, Schmetterlingen, Blattschneiderbienen und stachellosen Bienen, ausreichend Nahrung bieten. Indem diese blühenden Wiesen nicht (mit Nutzplanzen) kultiviert, gemäht oder beweidet werden, entstehen Nistmöglichkeiten und Nahrungspflanzen, die den Wildbienen so eine langfristige Nahrungsaufnahme durch Nektar und Pollen möglichst lange in den Winter hinein bieten[5]. Zudem tragen die blühenden Wiesen zur Bodenfruchtbarkeit und biologischen Vielfalt bei, da neben Insekten auch Vögel, Reptilien und kleine Säugetiere angezogen werden.[6] Dadurch können die weltweit 80 % aller Blütenpflanzen, die von Insekten bestäubt werden, darunter 85 %, insbesondere Obstbäume, die von Honigbienen bestäubt werden, ihre Fortpflanzung sicherstellen.[7]
Honey Highway - Niederlande, Concours des prairies fleuries - Frankreich, Vereinigtes Königreich
Vorleistung, Produktion, Konsum
Gemeinderäte, Schulen, Gärtner und Gärtnerinnen, Landwirte und Landwirtinnen, alle Menschen
Es wird vermutet, dass (Wild-)Bienen bereits zur Kreidezeit vor ca. 100 Millionen Jahren lebten und seither gemeinsam mit Blütenpflanzen ihren symbiotischen Nutzen von Nahrungsgrundlage und Fortpflanzung physisch entwickelten.[8] Durch die globalisierte und industrielle Landnutzung kam es vor allem in den 1990er Jahren weltweit zu einem stark verbreiteten Bienensterben (colony collapse disorder) der westlichen Honigbiene, das ein starkes mediales Echo auslöste[9]. In den letzten Jahren ist daher das Interesse, insbesondere in westlichen urbanen Regionen[10], Lebensräume für Honigbienen zu schaffen, und infolgedessen auch die Populationszahl stark gestiegen[11]. Für einen Schutz der Biodiversität der Nutz- und Kulturpflanzen braucht es allerdings ebenso einen hohen Anteil an Wildbienen, Hummeln und Schmetterlingen, da sich evolutionsbedingt einige Pflanzenblüten nur von bestimmten Insekten bestäuben lassen, wie z.B. die Tomate, Ackerbohnen und Erbsen von der Hummel.[12] Würden also mehr Spezies aussterben, dann gäbe es auch bestimmte Wild- und Kulturpflanzen nicht mehr, selbst wenn die Honigbiene immer besser geschützt wird. Zudem zeigen Studien, dass Wildbienen die Pflanzenblüten doppelt so effizient wie Honigbienen bestäuben, unabhängig vom Anbausystem und der Feldfrucht.[13]
In Europa entstehen aus der breiten Öffentlichkeit immer mehr Initiativen, welche die gemeinsame Aussaat auf Wiesen (bspw. mit Samenbomben, auf englisch ›seed balls‹ oder ›beebombs‹[14]) organisieren[15]. Bei dem Projekt Honey Highway in den Niederlanden[16] helfen Grundschulkinder sowie Studenten und Studentinnen bei der Aussaat auf Autobahn-Seitenrändern mit. Diese praktische Tätigkeit stellt einen guten Bildungsmoment dar, um bereits früh ein Bewusstsein für Naturzusammenhänge und nachhaltiges Handeln zu formen. In Frankreich gibt es über das ganze Land verteilt, Initiativen und Wettbewerbe zu blühenden Wiesen[17], welche laut Studien bereits positive Effekte auf die Biodiversität erzielten.[18] Im Vereinigten Königreich beschlossen einzelne Gemeinderäte blühende Wiesen zu säen, anstatt zu mähen, welches wiederum den Vorteil mitbringt, Gemeindegelder für das Mähen zu sparen.
Es bestehen keine Risiken, solange nicht versucht wird, die wildlebenden Insekten zu züchten. Hier besteht immer wieder die Gefahr, dass sich Viren und Parasiten bei einer hohen Konzentration von normalerweise wildlebenden Insektenarten auf geringem Raum verbreiten, wie beispielsweise bei der Zucht von Hummeln für die Bestäubung von Tomatenblüten.[19] Diese Krankheiten können sich dann auch auf andere immer noch wildlebende Insekten übertragen und somit ein Risiko für deren Bestand und die allgemeine Ernährungssicherung darstellen.[20]
[1] Norfolk, O. (2019): How roadside flowers and makeshift meadows are saving our struggling bees. The Independent. Web, 13.10.2019. https://www.independent.co.uk/environment/roadside-wildflowers-meadows-bees-uk-a8998866.html
[2] Garibaldi, L. A., et al. (2013): Wild Pollinators Enhance Fruit Set of Crops Regardless of Honey Bee Abundance. Science, 339(6127), 1608–1611. https://doi.org/10.1126/science.1230200
[3] Fürsten-Reform Dr. med. Hans Plümer GmbH & Co. KG. (2019): Bienen als Bestäuber. BIHOPHAR HONIG. Web, 13.10.2019. https://www.bihophar.de/de/bienenparadies/bienen-als-bestaeuber.html
[4] Garibaldi, L. A., et al. (2013): Wild Pollinators Enhance Fruit Set of Crops Regardless of Honey Bee Abundance. Science, 339(6127), 1608–1611. https://doi.org/10.1126/science.1230200
[5] NABU Mecklenburg-Vorpommern. (o. J.): Wildbienen - NABU Mecklenburg-Vorpommern. Web, 13.10.2019.https://mecklenburg-vorpommern.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/bienen-und-co/wildbienen/index.html
[6] Soliveres, S. et al. (2016): Biodiversity at multiple trophic levels is needed for ecosystem multifunctionality. Nature, 536(7617), 456–459. https://doi.org/10.1038/nature19092
[7] Schwartauer Werke (2019): Die Bienen und unsere Ernährung. Bee Careful. Web ,13.10.2019. http://www.bee-careful.com/de/initiative/der-einfluss-von-bienen-auf-unsere-taegliche-ernae/
[8] Michael S. Engel (2000): A New Interpretation of the Oldest Fossil Bee (Hymenoptera: Apidae). American Museum Novitates. Band 3296, 2000. S. 1–11.
[9] Van Engelsdorp, D. & Meixner, M.D. (2010): A historical review of managed honey bee populations in Europe and the United States and the factors that may affect them. Journal of Invertebrate Pathology. Band 103, Januar 2010, S. S80-S95, doi:10.1016/j.jip.2009.06.011
[10] Stadtbienen (o.J.): Kurse. www.stadtbienen.org/kurse/
[11] Deutscher Imkerbund e.V. (2007-2019): Deutscher Imkerbund e. V.. Imkerei in Deutschland Zahlen-Daten-Fakten. Web, 13.10.2019. https://deutscherimkerbund.de/161-Imkerei_in_Deutschland_Zahlen_Daten_Fakten; Quarks (2018): Darum sind Wildbienen wichtiger als Honigbienen. Web, 13.10.2019. https://www.quarks.de/umwelt/tierwelt/darum-sind-wildbienen-wichtiger-als-honigbienen/
[12] Garibaldi, L. A., et al. (2013): Wild Pollinators Enhance Fruit Set of Crops Regardless of Honey Bee Abundance. Science, 339(6127), 1608–1611. https://doi.org/10.1126/science.1230200; Das Hummelhaus (2019): Hummeln als Bestäuber – Das Hummelhaus. Web 13.10.2019. https://www.das-hummelhaus.de/einleitung/wirtschaftliche-bedeutung-von-hummeln
[13] ebd.
[14] Beebombs (o.J.): Beebombs. www.beebombs.de
[15] Beispiele hierfür sind die Initiative ›CSA Natural Farm and Public Food Forest‹ in Tunceli, Türkei. (Cetingulec , M. (2018). Turkey’s first 'communist' grocery chain goes global. In: Al-Monitor. Web, 11.10.2019. www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/11/turkey-first-communist-grocery-chain.html)
[16] Honey Highway (o. J.): Dauerhaftes Paradies für Bienen. Web, 13.10.2019. https://www.honeyhighway.de/
[17] EUROPARC France (2019): Flowering Meadows Contest in France. Web, 13.10.2019. https://www.europarc.org/case-studies/flowering-meadows-contest-france/
[18] Technische Universität München (2016): Flowering meadows benefit humankind. Web, 13.10.2019. https://www.tum.de/nc/en/about-tum/news/press-releases/details/33330/; Fleury, P. et al. (2015): Flowering Meadows. A result-oriented agri-environmental measure: Technical and value changes in favour of biodiversity. Land Use Policy, 46, 103–114. https://doi.org/10.1016/j.landusepol.2015.02.007
[19] Arbetman, M.P. et al. (2013): Alien parasite hitchhikes to Patagonia on invasive bumblebee. Biological Conservation. März 2013. 15:3. S.489–494. doi.org/10.1007/s10530-012-0311-0
[20] Sheila R. Colla et al. (2006): Plight of the bumble bee: Pathogen spillover from commercial to wild populations. Mai 2006. 129: 4. S. 461-467. https://doi.org/10.1016/j.biocon.2005.11.013