Die Begriffe Digital Farming, Smart Farming und Landwirtschaft 4.0 bezeichnen den Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien in der Landwirtschaft. Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird auch die ›Dritte Grüne Revolution‹ genannt.
Die Digitalisierung der Landwirtschaft zielt auf einen effizienteren Einsatz von Ressourcen zum Umwelt- und Tierschutz sowie auf die steigende Wirtschaftlichkeit des eigenen Betriebes ab.[1] Durch die gezieltere Anwendung von digitalen Technologien können Landwirte und Landwirtinnen in ihren betrieblichen Entscheidungen unterstützt werden. Es können mehr Informationen gesammelt und auch extern bereitgestellt werden.
Digital Farming lässt sich in folgende Wirkungsbereiche gliedern:
BoMill - Schweden, System Cameleon von Gothia Redskap - Schweden, senseFly - Schweiz, Hummingbird - Vereinigtes Königreich
Vorleistung, Produktion
Produzenten und Produzentinnen, Technologieanbieter und -anbieterinnen
Die Methoden Precision Farming und Smart Farming werden seit mehr als zwei Jahrzehnten flächendeckend in der Praxis angewandt (Stand 2018)[3]. Precision Farming wird als die bedeutendste Innovation der U.S.- amerikanischen Landwirtschaft betrachtet, die Mitte der 1980er eingeführt wurde[4]. Allerdings verlief die Einführung mitunter durch die hohen Anschaffungskosten relativ zäh[5].
Die Anwendung von Precision Farming mit der Absicht, die Risiken von Pestizidauswaschungen ins Grundwasser in sandigen Böden zu vermindern, wurde zum ersten Mal 1996 in amerikanischen Feldversuchen erforscht[6]. Eine Schlüsselinnovation für die Entwicklung von digitalen Technologien, wie beispielsweise Lenksysteme, war die Erfindung von GPS, das für militärische Zwecke in den späten 1970er Jahren entwickelt wurde[7].
In den USA werden Digital-Farming-Tools bereits von schätzungsweise 20-80 % der Landwirte und Landwirtinnen genutzt[8]. In Europa hingegen wird die Verwendung auf 0-24 % geschätzt[9]. Es ist ein rasant wachsendes Feld, in dem fortlaufend neue Technologien entwickelt werden, die vorwiegend bei großen landwirtschaftlichen Betrieben Anwendung finden. Aktuell zeichnet sich der Trend ab, dass große Konzerne ihren Fokus auf Big Data richten, welche die Erfassung von Bodenfruchtbarkeit, Pflanzenstress und Klimadaten beinhalten[10].
Das Nachhaltigkeitspotenzial der verschiedenen Technologien, die hier unter Digital Farming zusammengefasst sind, unterscheidet sich mitunter stark voneinander. Die folgenden Werte sind als durchschnittliche Angaben zu verstehen. Einzelne Innovationen können stark von diesen abweichen.
Voraussetzungen für die Digitalisierung landwirtschaftlicher Prozesse sind eine leistungsfähige rurale Infrastruktur, der Zugang zu diesen modernen Technologien auf den Höfen und insbesondere digital-affine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Betrieben. Statt der häufigen Patentierung von modernen Technologien können Open Source Lösungen forciert werden, um den kostengünstigen Zugang für kleine Betriebe zu sichern. Dies würde darüber hinaus eine schnellere und partizipative Weiterentwicklung der Technologien fördern.
Mit den verschiedenen Techniken des Digital Farmings gehen eine Reihe von Risiken und Nachteilen einher. Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des Thünen-Instituts zufolge, wird davon ausgegangen, dass durch die Digitalisierung der Landwirtschaft in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren Arbeitsplätze, insbesondere im Bereich der niedrig qualifizierten Tätigkeiten, tendenziell verloren gehen[11]. Die Anwendung von Digital Farming sei überwiegend für größere Betriebe durch Schaffung von Hightech-Arbeitsplätzen wirtschaftlich.[12] Michelsen vom INKOTA-netzwerk e.V. weist darauf hin, dass u.a. durch die Digitalisierung vorangetriebene, vertikale Zusammenschlüsse von Unternehmen verschiedener Verarbeitungsstufen zu einer Konzentration der Macht führen können[13]. Auch Mooney, der u.a. im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit tätig ist, sieht Gefahren für die kleinbäuerliche Strukturen, wenn die Technologien auf ungleiche Gesellschaften treffen[14]. Besonders für Kleinbauern und -bäuerinnen können sich Nachteile ergeben: „Zum Beispiel konzentriert sich fast die Hälfte aller landwirtschaftlichen Forschung des Privatsektors auf eine einzige Nutzpflanze, Mais. Dementsprechend ist das Interesse der pflanzenzüchtenden Unternehmen an den 7000 für die Lebensmittelerzeugung genutzten Arten, die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen anbauen (unter Bedingungen, in die noch kein Roboter einen Fuß gesetzt hat), vernachlässigbar. Dies könnte dazu führen, dass Regierungen diese Arten weiter benachteiligen, und stattdessen ausreichend Märkte für ‚kommerziellere‘ Pflanzen schaffen.“[15] Zudem seien kleinbäuerliche Betriebe nun verstärkt von der Übernahme durch Großkonzerne bedroht, da die Anwendung der neuen Technik auch kleine Felder für Großkonzerne wirtschaftlich interessant mache. Gleichzeitig sinkt die Wettbewerbsfähigkeit für kleine Betriebe, da sie bei der kostenintensiven Ausstattung nicht mithalten können[16]. Damit neue Technologien kleinbäuerlichen Strukturen zugutekommen, sollte gewährleistet werden, dass ihre Bedürfnisse bei der Entwicklung der Technologien berücksichtigt werden, sie Zugang zu den Technologien bspw. in Form von Open Source erhalten und sie über ihre Daten selbst verfügen können[17].
Fehlerhafte Technologien und Algorithmen können ebenfalls negative Auswirkungen haben. Wird durch die Technik eine falsche Entscheidung getroffen, können ganze Ernten vernichtet werden[18]. Auch das Risiko, dass vertrauliche betriebsinterne Daten an Dritte gelangen, kann nicht ausgeschlossen werden.
[1] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2018): Digitalisierung in der Landwirtschaft. Chancen nutzen - Risiken minimieren. S. 21
[2] Mulla, D. und Khosla, R. (2017): Historical Evolution and Recent Advances in Precision Farming.
[3] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2018): Digitalisierung in der Landwirtschaft. Chancen nutzen - Risiken minimieren.
[4] Napier, T. L.; Robinson, J. und Tucker, M. (2000): Adoption of precision farming within three Midwest water-sheds.
[5] Mulla, D. und Khosla, R. (2017): Historical Evolution and Recent Advances in Precision Farming, S 22
[6] ebd. S. 20
[7] Larsen, W. E. et al. (1988): Field navigation using the global positioning system (GPS).
[8] Kernecker, M. et al. (2018): D2.4 Peer-reviewed paper. Smart AKIS. Smart Farming Thematic Network. Abrufbar unter: https://www.smart-akis.com/wp-content/uploads/2019/01/Peer-reviewed-paper.pdf
[9] ebd.
[10] Mulla, D. und Khosla, R. (2017): Historical Evolution and Recent Advances in Precision Farming. S. 24
[11] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2018): Digitalisierung in der Landwirtschaft. Chancen nutzen - Risiken minimieren. S. 21
[12] ebd.
[13] Michelsen, L. (2018): INKOTA-Infoblatt Welternährung 17: Digitalisierung. INKOTA-netzwerk e.V.. Abrufbar unter: https://webshop.inkota.de/node/1555
[14] Mooney, P. & ETC Group. (2018): Blocking the chain. Industrial food chain concentration, Big Data platforms and food sovereignty solutions. INKOTA, ETC Group, Glocon & Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.). Abrufbar unter: https://webshop.inkota.de/node/1551
[15] ebd. S. 28.
[16] ebd. S. 31.
[17] Michelsen, L. (2018): INKOTA-Infoblatt Welternährung 17: Digitalisierung. INKOTA-netzwerk e.V.. Abrufbar unter: https://webshop.inkota.de/node/1555
[18] ebd. S. 29.