Steckbrief des Projekts "Sozial-ökologische Transformation des Ernährungssystems"
In-Vitro-Fleisch ist Fleisch, das im Labor erzeugt wird. Dazu werden Stammzellen aus Muskelzellen aus dem Gewebe eines lebenden Tieres entnommen und in einer Nährlösung vermehrt. Diese entwickeln sich weiter zu Muskelzellen und ggf. später zu Muskelfasern. In-Vitro-Fleisch soll künftig eine Alternative zu Fleisch aus der (industriellen) Tierhaltung darstellen, die ohne das Töten von Tieren auskommt. Zudem wird auch an anderen tierischen In-Vitro-Produkten wie Fischfleisch, Eier und Leder geforscht.
Für die Diskrepanz zwischen dem weltweit ansteigendem Fleischkonsum[1] auf der einen Seite und dem hohen Ressourcenbedarf der herkömmlichen Fleischerzeugung und dem zumindest in Deutschland zunehmenden Bewusstsein der Bevölkerung für tierethische Belange auf der anderen Seite soll die Erzeugung von In-Vitro-Fleisch einen Ausweg bereitstellen. Im Gegensatz zu Fleischersatzprodukten, die auf pflanzlichen Produkten und teilweise Ei und / oder Milch (siehe „4.8 Steckbrief Fleischersatzprodukte“) basieren, handelt es sich bei In-Vitro-Fleisch um ›echtes‹ Fleisch. Dieses wird, ähnlich wie in der regenerativen Medizin, durch die Entnahme und Kultivierung von Zellen gezüchtet, die sich auf einem Nährmedium bzw. durch Wachstumsfaktoren in einem Bioreaktor vermehren.[2] Die Herstellung der Zellkultur-Fleischprodukte könnte ersten Schätzungen zufolge deutlich weniger Wasser- und Landressourcen in Anspruch nehmen sowie deutlich weniger THG-Emissionen verursachen als die In-Vivo Erzeugung von Fleischprodukten.[3] [4]
Unternehmen, die an der In-Vitro-Fleischproduktion im kommerziellen Maßstab forschen: SuperMeat, Memphis Meats, Hampton Creek, Finless Foods
Verarbeitung (Technologie)
Wissenschaft, Verarbeitung, Konsumenten und Konsumentinnen
Die Idee, separate Teile eines Tieres zum Verzehr zu züchten, äußerte Winston Churchill bereits im Jahre 1913. Das erste Patent auf ein Herstellungsverfahren von In-Vitro-Fleisch wurde jedoch erst 1997 durch den niederländischen Forscher und Unternehmer Willen van Eelen angemeldet.[5]
Aktuell arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Unternehmen weltweit an der Erforschung und Entwicklung von In-Vitro-Fleisch. 2013 wurde der erste Burger aus In-Vitro-Fleisch vorgestellt. Dieser verursachte durch seine Produktion jedoch noch immense Kosten in Höhe von 330.000 US-Dollar. Mittlerweile stellen Firmen Produkte mit deutlich geringeren Kosten her und es bestehen Prognosen für marktfähiges In-Vitro-Fleisch ab 2020.[6] Die Entwicklung findet bisher vor allem in den USA, den Niederlanden und Israel statt. In Deutschland hingegen beteiligt sich bislang lediglich Wiesenhof an der Erforschung von In-Vitro-Fleisch; das Unternehmen unterstützt das israelische Start-up SuperMeat.[7] Probleme und Hindernisse bestehen u. a. noch in der Bereitstellung des Nährmediums, da es üblicherweise aus fötalem Kälberserum gewonnen wird. Dieses Verfahren ist nicht nur teuer, sondern wird v.a. kritisch in Bezug auf die Behauptung bzw. das selbstgesteckte Ziel der tierleidfreien Fleischproduktion diskutiert. Alternative Ansätze zur Produktion des Nährmediums sind die synthetische Herstellung aus Pilzen und Hefen.[8]
In-Vitro-Fleisch birgt das potenzielle Risiko eines im Vergleich zur herkömmlichen Fleischproduktion wahrscheinlich erhöhten Energieverbrauchs sowie des kontinuierlichen Konsums von wenig gesunden Fleischprodukten. Noch wird das Nährmedium üblicherweise aus fötalem Kälberserum gewonnen, und fügt dabei großes Tierleid zu. Hier ist eine Umstellung auf Alternativen (s.o.) nötig.
In-Vitro-Fleisch ist Fleisch, das im Labor erzeugt wird. Damit kann (bei Weiterentwicklung der aktuellen Techniken) Fleisch ohne das Töten von Tieren erzeugt werden. In-Vitro-Fleisch hat ein hohes ökologisches Nachhaltigkeitspotenzial aufgrund der implizierten Verringerung der Nutztierhaltung. An dem Lebensstil, der Verhaltensweisen oder dem Bewusstsein von Konsumenten und Konsumentinnen ändert es jedoch vermutlich nichts, da es sich immer noch um ein Fleischprodukt handelt. Noch ist die gesellschaftliche Akzeptanz Umfragen zufolge gering, allerdings ist es wahrscheinlich, dass In-Vitro-Fleisch als günstige Fleischalternative viel konsumiert werden wird, sobald es auf dem Markt ist.
[1] Weltagrarbericht (2018): Fleisch und Futtermittel. Web, 02.05.2018. https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/fleisch-und-futtermittel.html
[2] Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (2018): In-vitro-Fleisch. Web, 02.05.2018. https://www.bundestag.de/blob/546674/6c7e1354dd8e7ba622588c1ed1949947/wd-5-009-18-pdf-data.pdf
[3] Tumisto et al. (2015): Environmental impacts of cultured meat: alternative production scenarios. Web, 22.10.2018. core.ac.uk/download/pdf/38629617.pdf
[4] Hinzmann, M. (2018): Die Wahrnehmung von In-Vitro-Fleisch in Deutschland. PolRess 2 – Kurzanalyse, Ecologic Institut.
[5] Böhm et al. (2017): In-Vitro-Fleisch: Eine technische Vision zur Lösung der Probleme der heutigen Fleischproduktion und des Fleischkonsums? Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (Hg.). Web, 02.05.2018. http://www.itas.kit.edu/pub/v/2017/boua17b.pdf
[6] Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt (2017): Fleisch aus Zellkulturen: ein Überblick. Web, 01.10.2018, albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/fleisch-aus-zellkulturen
[7] Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (2018): In-vitro-Fleisch. Web, 01.10.2018. www.bundestag.de/blob/546674/6c7e1354dd8e7ba622588c1ed1949947/wd-5-009-18-pdf-data.pdf
[8] Böhm at al. (2017)