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Re-/Upcycling von Lebensmittelabfällen

Re-/Upcycling von Lebensmittelabfällen umfasst eine Bandbreite an Innovationen, die sich mit der Weiterverwendung von Abfällen zu neuen Produkten befassen. Die erzeugten Produkte reichen von Schuhsohlen aus alten Kaugummis über 3D-gedruckte Becher aus Orangenschalen bis hin zu Bio-Plastik aus Fischabfällen. (Weitere wiederverwertete Produkte, die sich für Verpackungen als Alternativmaterial zu den umweltschädlicheren biobasierten und fossilbasierten Kunststoffen eignen, sind unter einer eigenen Nische alternative Verpackungsmaterialien zusammengefasst.)

Ziel und Innovation

Laut WWF werden in Deutschland pro Sekunde 313 Kilo genießbare Nahrungsmittel entsorgt[1]. Die Welternährungsorganisation ging 2011 davon aus, dass weltweit rund ein Drittel der erzeugten Nahrung weggeworfen wird, das entspricht 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr.[2] Das Re-/Upcycling von Lebensmittelabfällen umfasst zum einen Innovationen, die sich mit der Weiterverwendung von Ressourcen befassen, die als Abfallprodukt bei der Lebensmittelproduktion entstehen. Zum anderen umfasst die Nische Innovationen, deren Ziel die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist, wie sie z.B. durch deren Unverkäuflichkeit hervorgerufen werden.

Erstgenannte Innovationen können als Paradebeispiele der nachhaltigen Kaskadennutzung angesehen werden: „Eine Kaskadennutzung von Biomasse liegt vor, wenn ein biogener Rohstoff zu einem biobasierten Endprodukt verarbeitet und dieses Endprodukt mindestens ein weiteres Mal stofflich oder energetisch genutzt wird.“[3] Durch eine Kaskadennutzung soll eine höhere Effizienz der Biomassennutzung erreicht werden.[4] Dies ist beispielsweise beim finnischen Unternehmen RENS der Fall, welches Schuhe aus Kaffeesatz herstellt. Das erklärte Ziel der Firma besteht darin, nachhaltig zu produzieren und die Verschwendung von wertvollen Ressourcen zu vermeiden[5].

Handelt es sich bei den Abfällen nicht um ein Nebenprodukt der Lebensmittelproduktion wie bei der zweitgenannten Innovation, sondern um das eigentliche Endprodukt, ist das Ziel der Projekte nicht die Zweit- oder Drittnutzung, sondern die erstmalige Nutzung der Lebensmittel durch die „Rettung“ vor der Mülltonne. Dabei werden die unverkäuflichen Lebensmittel i.d.R. zu einem anderen Produkt transformiert. So möchte das schweizerische Unternehmen Damn Good Food & Beverages AG verhindern, dass „der lange Weg vom Saatkorn zum knusprigen Brotlaib“ umsonst war[6], indem es nicht verkauftes Brot zu Bier weiterverarbeitet.

Beispiele

Rens (Schuhe aus Kaffeesatz) - Finnland, Gumdrop (Produkte aus Kaugummis) – Vereinigtes Königreich, Gumshoe (Schuhsohlen aus Kaugummis) – Niederlande, breadbeer (Bier aus altem Brot) - Schweiz, Feel the Peel (3D-gedruckte Becher aus Orangenschalen) - Italien, Lucy Hughes (Verpackungsmaterial aus Fischabfällen) – Vereinigtes Königreich, Ananas Anam (Leder aus Ananas-Blättern) – Vereinigtes Königreich, Therese Mölk (Spirituosen aus altem Brot) - Österreich, Duedilatte (Textilien aus saurer Milch) - Italien

Kategorie

Produktion, Konsum, Abfall und Wiederverwertung

Akteur*innen

Produzenten und Produzentinnen, Konsumenten und Konsumentinnen, innovative Unternehmen

Entwicklungsstand und -dynamik

Die Nische befindet sich in einem starken Wandel und weist eine hohe Innovationskraft auf. Neuartige Ansätze lassen sich auch in Deutschland finden. So verwenden selo soda und Caté die Kaffeekirsche als Abfallprodukt der Kaffeeproduktion, um daraus Limonade herzustellen und die Universität Bayreuth erforscht, wie sich die Schale der Orange als biobasierter Kunststoff nutzen lässt[7]. Auch wenn die Nische als solche in Deutschland nicht unbekannt ist, können die vielfältigen europäischen Projekte als Vorbilder mit teils hohem Transformationspotenzial dienen.

Nachhaltigkeitspotenzial

Da sich die einzelnen Ansätze sehr stark voneinander unterscheiden, ist das angegebene Nachhaltigkeitspotenzial als Durchschnittswert zu verstehen.

Ökologisch

  • Boden (indirekt)
  • Wasser (indirekt)
  • Klima (indirekt)
  • Luft (indirekt)
  • Ressourceneffizienz in Produktion und Konsum

Ökonomisch

  • Förderung der Kreislaufwirtschaft

Sozial

  • Tierwohl (indirekt)

Risiken / Nachteile

Während einige Unternehmen mit Abfällen arbeiten, die als Nebenprodukte bei der Lebensmittelproduktion entstehen, widmen sich andere Projekte den Lebensmittelabfällen, die vermeidbar wären. Diese Unternehmen können zwar die Symptome der Lebensmittelverschwendung lindern, nehmen jedoch keinen Einfluss auf deren Ursachen. Die Abnahme von Lebensmittelabfällen kann dazu führen, dass die Verursacher und Verursacherinnen sich (moralisch) entlastet sehen und keine weiteren Schritte zu Vermeidung der Abfälle ergreifen. Dabei ist die Vermeidung von Abfällen der Wieder- und Weiterverwendung von Abfällen laut Kreislaufwirtschaftsgesetz[8] vorzuziehen, um die unnötige Verwendung von Ressourcen zu minimieren.

Bei der Bewertung des Nachhaltigkeitspotenzials einzelner Projekte ist zudem darauf zu achten, ob es sich bei den aus Abfällen geschaffenen Produkten um Substitutionsgüter handelt, die den Konsum von weniger nachhaltigen Produkten ersetzen können oder um neuartige Güter, die den Konsum insgesamt verstärken. Letztere Produkte können zwar eine ganzheitliche Nutzung von Ressourcen fördern, erhöhen jedoch insgesamt auch die Nachfrage.


[1] WWF Deutschland (2015): Das große Wegschmeißen, Berlin 2015.

[2] FAO (2011): Global food losses and food waste. Extent, causes and prevention. Rom.

[3] Fehrenbach, H. et al. (2017): BIOMASSEKASKADEN. Mehr Ressourceneffizienz durch stoffliche Kaskadennutzung von Biomasse – von der Theorie zur Praxis. Umweltbundesamt. TEXTE 53/2017. Februar 2017: Dessau-Roßlau. S. 27

[4] Umweltbundesamt (2019): Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe. April 2019. Web, 25.11.19 www.umweltbundesamt.de/biobasierte-biologisch-abbaubare-kunststoffe

[5] Rens Original (2019): Our Mission. Web, 25. 11. 2019. rensoriginal.com/pages/our-story-rens-original

[6] Damn Good Food & Beverages AG (o. J.): Damm Good Bread Beer – Eifach #tamiguet. Web, 25.11.2019. https://www.breadbeer.ch/

[7] Hauenstein, O., Agarwal, S., & Greiner, A. (2016): Bio-based polycarbonate as synthetic toolbox. Nature Communications, 7(1), 11862. https://doi.org/10.1038/ncomms11862

[8] Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG), § 6 Abfallhierarchie.