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Silvopastorale Agroforstsysteme

In silvopastoralen Agroforstsystemen werden Gehölze mit Weideflächen und Tierhaltung kombiniert. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten variieren in Intensität, Fläche und Kombinationen von Nutztier- und Gehölzarten. Möglich sind die Fusion von der Haltung diverser Nutztierrassen mit der Wert- oder Energieholzproduktion oder von Nutztierhaltung mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln (Obst, Nüsse). Die Vereinigung von Futterbau und Viehhaltung ist besonders verbreitet. Hierbei können auch gezielt Gehölze angebaut werden, die für die Futterlaubproduktion genutzt werden.

Silvopastorale Agroforstsysteme sind eine Untergruppe von Agroforstsystemen (→ Agroforstsysteme). Sie sind aufgrund ihres Potenzials, zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit beizutragen, separat aufgeführt. Für Deutschland hat diese Nische eine besondere Relevanz, da der gesetzliche Rahmen die Ausbreitung silvopastoraler Systeme bisher verhindert hat (s. Risiken / Nachteile).

Ziel und Innovation

Silvopastorale Systeme besitzen gegenüber Weidesystemen unter offenem Himmel vielfache Vorteile für die Umwelt. Diese umfassen eine höhere Biodiversität, die Verringerung der Bodenerosion und die Pufferung von Klimaextremen. Ergebnisse von Studien legen den Schluss nahe, dass silvopastorale Systeme ein höheres Potenzial besitzen, Treibhausgase von landwirtschaftlichen Flächen zu reduzieren und größere Mengen an Kohlenstoff speichern können als offene Weidesysteme, traditionelle Plantagen und Ackerbausysteme[1]. Auch eine höhere Produktivität der Produktionsbereiche (Futter-, Fleisch-, Eier- und Milchproduktion) wird durch Studien belegt[2]. Zudem kann sich die Fusion von Gehölzen und Weideflächen positiv auf das Tierwohl auswirken. Sträucher und Bäume bieten aufgrund des Schattens Komfort und nähern sich dem natürlichen Habitat der häufigsten Nutztierarten an.

Beispiele

Dehesa Farms - Spanien, Weidegänse und Trüffel - Schweiz[5]; Nith Valley Eggs - Vereinigtes Königriech; Sainsbury’s Kooperation mit silvopastoraler Hühnerhaltung - Vereinigtes Königreich[6]

Kategorie

Vorleistung, Produktion

Akteur*innen

Wein-, Garten-, Obstbaubetriebe, Forsteinrichtungen, viehhaltende Betriebe, Gourmet-Fleisch-Produzierende (Ibérico-Schinken)

Entwicklungsstand und -dynamik

Waldweiden als Ausprägung silvopastoraler Systeme bilden einen signifikanten Anteil der geschätzten 33% beweideten Gesamtfläche auf der Erde[3]. Vor allem sind solche Systeme in den Ländern des Globalen Südens zu finden. In Europa und insbesondere Deutschland hingegen ist diese Nutzungsform selten geworden. Im Jahr 2009 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass das ökonomische Potenzial und die Möglichkeiten der Doppelnutzung von Waldflächen in Deutschland kaum bekannt seien[4]. Demnach besteht in Deutschland noch viel Handlungspotenzial. Allerdings limitiert hierzulande die Gesetzeslage die Verbreitung von silvopastoralen Systemen. Diese waldrechtlichen Rahmenbedingungen kamen als Antwort auf eine Übernutzung der Wälder durch die Viehhaltung. Moderne Beispiele sind selten und häufig aus der Nutzungsklassifizierung herausgefallen. Dadurch fehlen zurzeit anschauliche Beispiele für die wirtschaftlichen Potenziale.

Nachhaltigkeitspotenzial

Ökologisch

  • Biodiversität/Artenvielfalt
  • Boden
  • Wasser
  • Klima
  • Luft
  • Ressourceneffizienz in Produktion und Konsum

Ökonomisch

  • Erhöhung der Ernährungssicherheit
  • Förderung der Kreislaufwirtschaft (indirekt)

Sozial

  • Tierwohl

Risiken / Nachteile

Neben den Nachteilen o.g. silvoarabler Agroforstsysteme kann es bei silvopastoralen Systemen bei hohem Weidedruck verstärkt zu Schäden am Gehölz durch Tritte und Fraß kommen[8], was die Systeme besonders kosten- und zeitintensiv macht. Zusätzliche Schutzmaßnahmen sind zu ergreifen.

In Deutschland wird die Verbreitung silvopastoraler Waldweiden durch die Gesetzgebung erschwert. Sowohl das Bundeswaldgesetz als auch Landeswaldgesetz stecken den rechtlichen Rahmen ab[9]. Laut dem Bundeswaldgesetz können Flächen mit Baumbestand, die zur selben Zeit dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte dienen, also der agroforstlichen Nutzung (und damit der Waldweide/ silvopastoralen Agroforstsystemen), nicht mehr als Wald gelten. Dies käme einer Nutzungsänderung gleich und würde eine Waldumwandlung bedeuten.[10] Das Landeswaldgesetz listet eine Reihe von Grundsätzen, die erfüllt werden müssen, um eine moderne Waldweide durchführen zu können. Neben dem Einverständnis des Waldbesitzers gehören hierzu der Walderhalt, die Sicherung der Waldfunktionen durch umsichtiges, extensives Weidemanagement, die Mindestbestockung, die Pfleglichkeit der Bewirtschaftung sowie das Betretensrecht.[11] Eine vereinfachte Gesetzgebung könnte das Potenzial der Waldweiden ausschöpfen und das fehlende Praxiswissen hierzulande vergrößern.


[1] Peichl, M. et al. (2006): Carbon Sequestration Potentials in Temperate Tree-Based Intercropping Systems, Southern Ontario, Canada. Agroforestry Systems, 66(3), 243–257. S. 243 https://doi.org/10.1007/s10457-005-0361-8

[2] Jose, S., & Dollinger, J. (2019): Silvopasture: A sustainable livestock production system. Agroforestry Systems, 93(1), 1–9.S.1 https://doi.org/10.1007/s10457-019-00366-8

[3] Gallego-Giraldo, L., et al. (2011): Salicylic acid mediates the reduced growth of lignin down-regulated plants. Proceedings of the National Academy of Sciences, 108(51), 20814–20819. S. 115 https://doi.org/10.1073/pnas.1117873108

[4] Chalmin, A. et al. (2009): Neue Optionen für eine nachhaltige Landnutzung. Schlussbericht des Projektes agroforst. S. 140

[5] Baumann-Oerhallau (2017): Baumann Oberhallau – Weidegänse, Trüffel und weitere gesunde Nahrungsmittel. https://www.baumann-oberhallau.ch/ (11.10.2019)

[6] Free Range Eggs (o. J.): Nith Valley Eggs. http://www.nithvalleyeggs.co.uk/ (28.01.2020)

[7] Sainsbury’s. (o. J.): Woodland hens roam free – for cracking eggs – Sainsbury’s. https://www.about.sainsburys.co.uk/making-a-difference/our-values/our-stories/2017/woodland-hens-roam-free-for-cracking-eggs (11.10.2019)

[8] Chalmin, A. et al. (2009): Neue Optionen für eine nachhaltige Landnutzung. Schlussbericht des Projektes Agroforst. S. 122

[9] Landesbetrieb ForstBW. (2017): MERKBLATT Waldweide. S. 16ff. https://www.forstbw.de/fileadmin/forstbw_infothek/forstbw_praxis/ForstBW_Merkblatt_Waldweide_WEB.pdf

[10] ebd.

[11] ebd.