Sind sie in der Grundschule in den Genuss des Schulgärtnerns gekommen? Für viele Schüler*innen stellte dieses Fach eine willkommene Abwechslung zum Alltag auf der Schulbank dar. Schulgärtnern bot nicht nur einen körperlichen Ausgleich, sondern ein kooperatives Erlebnis bei dem gemeinsam Pflanzen über einen längeren Zeitraum gepflegt und die Früchte der eigenen Arbeit greifbar gemacht wurden. Wenn Schulklassen als Gruppe und Schüler*innen als Individuen von einer solchen Erfahrung profitieren, könnte das Gärtnern dann nicht auch für Menschen im Berufsalltag von Vorteil sein?
An dieser Frage setzt die Arbeit von Grome an. Etwas verkürzt aber anschaulich ausgedrückt, organisiert die junge Initiative gemeinsames Schulgärtnern für die Belegschaft von Unternehmen. Hinter dem Konzept steckt jedoch noch mehr.
“Als ich mich nach dem Studium zunehmend mit nachhaltiger Ernährung beschäftigt habe, ist mir bewusst geworden, wie sehr Ernährung und Gesundheit zusammenhängen. Und wie sehr das Büro eine Wüste für beides ist”, antwortet Hanno Weimer auf die Frage nach den Ursprüngen der Idee für Grome. Er gehört neben Philip Riedel, Lisa Hohls und Miloš Veres zum Kernteam des Projektes und erklärt, wie die unterschiedlichen Motivationen der Mitbegründer*innen zum Gesamtkonzept von Grome beitragen. “Unser Produkt liegt genau in der Mitte zweier Missionen. Lisa war vor allem von dem Gedanken motiviert, die Gesundheit und das Teambuilding in Unternehmen und Organisationen zu fördern. Aus dieser Perspektive dient der Garten lediglich als Werkzeug. Ich hingegen hatte den Wunsch, das Ernährungsbewusstsein zu stärken und fragte mich, wie man das mit der Arbeit im Büro verknüpfen kann. Für mich ist es also auch wichtig, mit dem Projekt Menschen für nachhaltige Ernährung zu sensibilisieren”. Lisa Hohls und Hanno Weimer haben sich zum richtigen Zeitpunkt getroffen, um diese beiden Anliegen zusammenzubringen und Grome ins Leben zu rufen.
Die Angebote der Initiative richten sich an Unternehmen, die etwas für das Wohlbefinden und das Gruppengefühl innerhalb Ihrer Belegschaft tun wollen. Das Konzept sieht vor, das gemeinsame Gärtnern mit Workshops zur Entwicklung von Teamkompetenzen und gemeinsamen Essen zu verbinden. Um das alles realisieren zu können, geht Grome feste Partnerschaften ein - mit Köch*innen, Trainer*innen und Menschen, die Flächen für das Gärtnern bereitstellen. Die von Grome-Harvest genutzten Flächen sind stadtnahe oder in der Stadt liegende urbane Gärten oder ähnliche Orte, die schon für den Anbau von Gemüse genutzt werden, einen Umweltbildungsauftrag haben und nicht kommerziell motiviert sind. “Wir nennen sie immer urbane Oasen. Mit unseren Anfragen nach der Bereitstellung kleiner Flächen oder sogar Workshops für unsere Gruppen sind wir dort auf fruchtbaren Boden gestoßen”, schildert Hanno Weimer die bisherigen Erfahrungen mit städtischen Gartenprojekten, wie den Prinzessinnengärten in Berlin oder der Bonnekamphöhe in Essen.
Ganz konkret könnte ein von Grome angebotenes Event folgendermaßen aussehen: In einem urbanen Garten kommt die Belegschaft oder Teile dieser zusammen, um unter Anleitung gemeinsam vorbereitete Jungpflanzen zu setzen oder Samen zu säen. Auf den Beeten können Mischkulturen angelegt werden, z.B. aus Gurken, Bohnen und Spinat. Somit werden gärtnerische Fähigkeiten erlernt und gleichzeitig angewandt. Das Gärtnern kann als wertvolle Gruppen- und Naturerfahrung erlebt werden und einen Ausgleich und Distanz zum Arbeitsalltag schaffen. Im Anschluss wird von einer (psychologisch ausgebildeten) Trainerin ein Workshop geleitet, z.B. zu emotionaler Intelligenz und dazu, wie fruchtbar es sein kann, sich mit den eigenen emotionalen Fähigkeiten zu befassen. Den Abschluss bildet ein gemeinsames Essen aus regionalen und saisonalen Zutaten. Das Gericht kann dank Küchenanhänger vor Ort zubereitet werden und die Teilnehmenden werden z.B. durch das Verkosten und Auswählen von Wildkräutern in den Prozess eingebunden. Es sollen also mittels körperlicher Erfahrungen Methoden zum Erhalt der mentalen und körperlichen Gesundheit greifbar gemacht werden.

Bei der Öffentlichkeitsarbeit fokussiert sich das Team von Grome ganz bewusst weniger stark auf den Ernährungsaspekt und stärker auf die unternehmerische Perspektive. Ein ganzheitlicher Ansatz der Gesundheitsförderung, der auf körperliche und geistige Gesundheit abzielt, steht neben Strategien zum Teambuilding an erster Stelle. Der Bezug zur Ernährungsbildung wird eher als angenehmer Nebeneffekt kommuniziert. “Unser größtes Ziel ist es, weder dogmatisch zu wirken, noch in irgendwelchen Schubladen festzusitzen. Leider wird das Thema ‘gesunde Ernährung’ von einigen Menschen ignoriert, da es zu sehr mit der Ökologie-Bewegung verbunden wird, die nicht von allen positiv assoziiert wird. Ohne unsere Mission zu verraten oder aufzugeben, möchten wir also neutraler betrachtet werden, um möglichst viele Menschen erreichen zu können”, erklärt Hanno Weimer.
“Damit die Ideen von Projekten für eine nachhaltigere Ernährung auch von der urbanen Bevölkerung gekauft oder verstanden werden kann, muss zunächst ein Bewusstsein für nachhaltige Lebensweisen geschaffen werden. Dazu reicht es nicht aus, wenn SoLaWis[1] sich am Stadtrand in ihrer Bubble mit Gemüse versorgen. Das ist natürlich total gut, nur muss es auch niedrigschwellige Angebote geben für Menschen, die sich damit nicht beschäftigen oder solche Projekte aus irgendwelchen Gründen stigmatisieren”.
Für Hanno Weimer schien es daher naheliegend, ein Angebot zu schaffen, das sich vorrangig an Unternehmen wendet. In diesen arbeiten Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus, die alle gleichermaßen mit einem Projekt von Grome erreicht werden könnten. Auch ohne die Hintergründe nachhaltiger Ernährung in den Fokus zu rücken, können die Beschäftigten in diesem Rahmen gemeinsame positive Selbsterfahrungen erleben. Die Projekte können zudem dazu motivieren, sich näher mit der Lebensmittelerzeugung und Ernährung auseinanderzusetzen.
Doch funktioniert dieses Konzept auch in der Praxis? Die ersten Veranstaltungen von Grome wurden von den Belegschaften gut angenommen und erhielten positive Rückmeldungen. Bei der Messung der eigenen Wirksamkeit, möchte sich das Team von Grome jedoch nicht allein auf Feedbackbögen verlassen. Darum haben sie sich wissenschaftliche Begleitung gesucht. Hanno Weimer erzählt, dass es nicht lange gedauert hat, bis sich eine Kooperation ergeben hat: “Beim Fachbereich für Arbeitspsychologie an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster sind wir auf offene Ohren gestoßen. In dem so entstandenen wissenschaftlichen Kooperationsprojekt wird untersucht, wie Naturerfahrungen in Verbindung mit der Arbeitsmotivation stehen. Genauer gesagt, werden zwei Kernfragen untersucht. Erstere fragt, welche kurzfristige Wirksamkeit sich nach den von uns organisierten Ausflügen zeigen. In der Zweiten geht es um die langfristige Wirksamkeit der Intervention. Wir wollen wissen, ob es möglich ist, durch unseren Mix aus Inspiration, Intervention und Training einen Fortschritt über den Zeitraum der Gartensaison hinweg zu erreichen”.
Bis genügend Daten zur Beantwortung dieser Fragen vorliegen, müssen noch einige Gartenevents organisiert werden, denn die Corona-Krise ließ bisher nur wenige Veranstaltungen zu. “Bis September wird sich wirklich zeigen, inwieweit unser Konzept praxistauglich und wirksam ist”. Die Auftragslage stimmt Hanno Weimer aber optimistisch. “Unser Angebot interessiert vor allem Sozialunternehmen, Stiftungen, junge und agile Unternehmen und allgemein Unternehmen, die es interessant finden, Gutes für ihre Mitarbeiter*innen zu tun, aber auch die Effizienz zu steigern und gesellschaftlich Sinn zu stiften. Aus dieser Gruppe haben uns schon drei Unternehmen gebucht. Zwei weitere Buchungen kommen von mittelständigen Unternehmen also aus dem eher konservativen Bereich. Von 15-350 Mitarbeitenden ist alles dabei.”
[1] “SoLaWi” ist eine Kurzform für Solidarische Landwirtschaft. Betriebe die nach dem Konzept der Solidarischen Landwirtschaft arbeiten, finanzieren sich nicht durch den Verkauf von Lebensmitteln an Märkten, sondern durch Beiträge einer Gruppe privater Haushalte. Diese sogenannten Ernteteiler*innen erhalten in regelmäßigen Abstände die Erzeugnisse des Betriebes und können bei gartenbaulichen Tätigkeiten mitarbeiten, sodass eine direkte Beziehung zwischen Verbrauchenden und Erzeugenden entsteht.
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