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Zugang zu Land - Übersicht und Problemsituation

Lesedauer: Minuten

Verfasst von Lydia Kitz, Helen Engelhardt, Clara Menke

Letzte Aktualisierung: 05.06.2023

Das Schlagwort “Zugang zu Land” bzw. das englische “access to land” beschreibt eine prinzipielle “Befähigung zur Flächennutzung” von Akteur*innen, “die agrarische Flächen nutzen und bewirtschaften wollen und deren Nutzungsbefähigung gesellschaftlich erwünscht und/oder i. S. der Nachhaltigkeit geboten wäre.” (Jakab et al., 2021: 4). Eine Befähigung umfasst auch die Ausstattung mit Ressourcen wie Kapital, Wissen und Produktionsmitteln, die für eine landwirtschaftliche Produktion benötigt werden (vgl. ebd.). 

Zahlreiche Faktoren führen dazu, dass der Zugang zu Land beschränkt wird. Dazu zählen eine gesteigerte Nachfrage, auch durch außerlandwirtschaftliche Investor*innen, sowie weitere Faktoren, die die Bodenqualität mindern und dadurch zu weniger nutzbarer Fläche führen. Zu diesen Faktoren gehören Erosion durch Wasser und Wind, exzessive Anwendung von Phosphaten und Nitraten, Kontamination durch Pestizide, Bodendegradation, Klimawandel, Flächenversiegelung (vgl. Blum, 2019: 26, 65 ff., 81; Yang & He, 2021).

Flächennutzung und Landkonzentration 

Gemäß Daten der Food and Agriculture Organization wurden im Jahr 2020 rund 41 % der Flächen Europas landwirtschaftlich genutzt (vgl.  The World Bank Group, o. J.). Ein Anteil von 68.5 % dieser Fläche entfällt auf sechs Mitgliedstaaten: Frankreich, Spanien, Deutschland, Polen, Italien und Rumänien. In Deutschland machte die landwirtschaftlich genutzte Fläche 2017 insgesamt 50,6 % der Flächen aus (vgl. Statistisches Bundesamt, 2018: 193). Bis zum Jahr 2030 wird für die EU ein Rückgang von landwirtschaftlicher Fläche um 1,1 % angenommen, wobei die Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen und Regionen sehr stark sind (vgl. Perpiña Castillo et al., 2018: 1). Zu den größten Verlierer*innen von Ackerland und landwirtschaftlicher Fläche werden voraussichtlich die Slowakei und Deutschland zählen (vgl. ebd: 4). 

Im Jahr 2016 gab es in der EU 10,3 Millionen landwirtschaftliche Betriebe, was einen Rückgang von rund 30 % gegenüber 2005 ausmacht (vgl. Cook, 2020: 18f). Bei rund 83 % dieser Betriebe handelte es sich um kleine Betriebe mit einer Fläche von unter 5 Hektar (vgl. ebd.). Die größten Verluste hatten Polen, Rumänien und Italien zu verzeichnen (vgl. ebd.). Dabei blieb die Fläche, die landwirtschaftlich genutzt wurde, etwa gleich groß. Dies verdeutlicht die Tendenz hin zur Konzentration des Landbesitzes in den Händen eines kleinen Prozentsatzes von Landwirtschaftsbetrieben.

With more than half of EU farmland controlled by only 3% of farms, land grabbing is a very real threat to both the social structure of rural areas and the capacity to build sustainable food systems in the future. European Coordination Via Campesina, 2018

Trends und Entwicklungen im Kampf um den Zugang zu Land 

In zahlreichen europäischen Ländern haben sich Praktiker*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sowie weitere Akteur*innen zusammengefunden, um sich für den gleichberechtigten Zugang zu Land einzusetzen. Große Verbände sind beispielsweise Access to Land in Europa und Terre de Liens in Frankreich, die auch europaweit agieren. Als Probleme beschreiben sie u. a. den Verlust von landwirtschaftlichen Nutzflächen durch den Ausbau von Städten und Infrastruktur, die Umwandlung von landwirtschaftlicher Fläche in Naturland und Wald, durch Bodendegradation, die Förderung der Konzentration von Flächen auf große, intensive Landwirtschaftsbetriebe, Spekulation, Land-Grabbing, unsichere und nachteilige Pachtverhältnisse, die Nutzung von Flächen zur Gewinnung von Bioenergie sowie den Anstieg der Bodenpreise (vgl. Terre de Liens, o. J. a; Accesstoland.eu, o. J. a). 

Zu den Maßnahmen, die ergriffen werden, um den Zugang zu Land zu sichern, zählen der langfristige Erwerb sowie die Bereitstellung von Flächen (verbunden mit Auflagen z. B. zur ökologischen Nutzung), die Umwandlung von Land aus Privatbesitz zu Gemeineigentum, die Bereitstellung von Land als Common (vgl. Subthema: Wem gehört das Land?), die Unterstützung von Landwirt*innen mit Wissen zum Erhalt landwirtschaftlicher Flächen, Öffentlichkeitsarbeit und politische Überzeugungsarbeit zur nachhaltigen Landwirtschaft sowie zum Schutz und Erhalt von Flächen (vgl. Terre de Liens, o. J. b; Accesstoland.eu, o. J. b; Kulturland eG, o. J.). Nischenpionier*innen lassen sich u. a. den Bereichen Bodengenossenschaften und -stiftungen, Regionalwert AG, Biointensive Landwirtschaft, Essbare Städte, Gemeinschaftsgärten, Hofaktien und Patenschaften, Solidarische Landwirtschaft und Vertical Farming zuordnen

Ein zentraler Aspekt bei der Frage des Zugangs zu Land ist die Eigentumsfrage. Wem gehört das Land in Europa und wie ist der Landbesitz verteilt? Welche Eigentumsformen gibt es in den Ländern Europas und was lernen wir von vergangenen Eigentumsformen? (→ vgl. Kapitel: Wem gehört das Land?)

Elementar für die Transformation der Ernährungssysteme ist auch die Frage danach, welche Bedingungen und Kriterien bei der Landvergabe eine Rolle spielen und wie diese mit den Zielen der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit vereinbar sind. Dabei sind sowohl staatliche als auch private Landbesitzer*innen und Landnutzer*innen von Interesse. (→ vgl. Kapitel: Bedingungen für Flächenvergabe und Landnutzung und Deutschland und der EU

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Zugang zu Land ist die finanzielle Seite. Gerade in Zeiten, in denen die Landpreise in vielen Regionen Europas stark gestiegen sind, wird der Zugang zu Land für kleinere landwirtschaftliche Betriebe und für Neueinsteiger*innen immer schwieriger. Für Nischenpionier*innen ist die Frage nach dem finanziellen Zugang zu Land bei bestehender Marktlage von zentralem Interesse. (→ vgl. Kapitel: Finanzierung landwirtschaftlicher Flächen)

Ein weiterer Aspekt betrifft die Flächenerweiterung. Insbesondere das sogenannte Z Farming, bei dem Landwirtschaft ohne traditionelle landwirtschaftliche Nutzflächen auskommt, indem Landwirtschaft in, an und auf Gebäuden betrieben wird, eröffnet neue Möglichkeiten. Aber auch neue Nutzungskonzepte kommunaler Flächen sowie Doppelnutzungen tragen zur Flächenerweiterung bei. (→ vgl. Kapitel: Erweiterung landwirtschaftlicher Flächen)

 

Quellen | Zugang zu Land - Übersicht und Problemsituation

 

Accesstoland.eu. (o. J. a). Securing land for agroecology. Abgerufen 1. September 2022, von https://www.accesstoland.eu/-Securing-land-for-agroecology- 

 

Accesstoland.eu. (o. J. b). Preserving land. Abgerufen 31. August 2022, von https://www.accesstoland.eu/-Preserving-land-

 

Blum, W. E. H. (2019). Boden und globaler Wandel. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59742-2 

 

Cook, E. (2020). Agriculture, forestry and fishery statistics — 2020 edition. European Union.

 

European Coordination Via Campesina (Hrsg.). (2018). Food Sovereignty now! A guide to food sovereignty.

 

Jakab, A., Rogga, S., & Piorr, A. (2021). Flächenzugang, -sicherung und regional-nachhaltige Bewirtschaftung. Eine Bestandsaufnahme für die Hauptstadtregion

Berlin/Brandenburg (Netzwerk Flächensicherung e.V. & ZALF e. V., Hrsg.).

 

Kulturland eG. (o. J.). Flächensicherung mit der Kulturland eG. Kulturland Genossenschaft e.G. Abgerufen 1. September 2022, von https://www.kulturland.de/de/flaechensicherung-mit-der-kulturland-eg 

 

Statistisches Bundesamt (2018). Land- und Forstwirtschaft, Fischerei. Bodenfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung: Vol. 5.1. Statistisches Bundesamt (Destatis).

 

Perpiña Castillo, C., Kavalov, B., Diogo, V., Jacobs-Crisioni, V., Batista e Silva, F., Baranzelli, C., & Lavalle, C. (2018). Trends in the EU Agricultural Land Within 2015-2030 (No. JRC113717). European Commission. 

 

Terre de Liens. (o. J. a). Accéder à la terre, un parcours du combattant. Abgerufen 1. September 2022, von https://terredeliens.org/acceder-a-la-terre-un-parcours-du.html 

 

Terre de Liens. (o. J. b). Le sens de notre action. Le sens de notre action. Abgerufen 1. September 2022, von https://terredeliens.org/-le-sens-de-notre-action-.html 

 

The World Bank Group. (o. J.). World Bank Open Data. Abgerufen 1. Juni 2023, von https://data.worldbank.org/indicator/AG.LND.AGRI.ZS?locations=EU 

 

Yang, B., & He, J. (2021). Global Land Grabbing: A Critical Review of Case Studies across the World. Land, 10(3), 324. https://doi.org/10.3390/land10030324 

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